Der Spaziergang
Datum: 20.06.2023,
Kategorien:
CMNF
Autor: joda36
Es ist mal wieder spät geworden. Die Kollegen sind schon seit Stunden zu Hause. Nur ich bin noch übrig geblieben. Ich beschließe den Heimweg anzutreten. Es ist ein ziemlich kalter Dezemberabend kurz vor Weihnachten. Als ich aus dem Bürogebäude heraustrat merkte ich, wie kalt es wirklich ist. Ein eisiger Wind bläst mir ins Gesicht. Ich ziehe den Kragen ein Stück höher und gehe auf dem direkten Weg und zügigen Schrittes zur U-Bahnstation.
Am U-Bahnsteig angekommen schaue ich auf die Uhr. Na gut, wieder die falsche Zeit. Wenn ich am Bahnhof Friedrichstraße ankomme, sind es noch geschlagene zehn Minuten bis zu meiner Anschluss-S-Bahn. Trotz der Eiseskälte beschließe ich, mit der U-Bahn eine Station bis zum Oranienburger Tor weiterzufahren und zu Fuß zum S-Bahnhof Oranienburger Straße zu laufen. Nach einem 12-Stunden-Tag genieße ich die kurze Abwechslung eines Spaziergangs. Einmal tief Luft holen und durch die Fenster der zahlreichen Restaurants und Kneipen schauen.
Am U-Bahnhof Oranienburger Tor angekommen überlege ich kurz, auf welcher Straßenseite ich laufen werde. Eigentlich laufe ich immer auf der Seite mit der Apotheke, den alternativen Künstlern und dem Parkplatz. Aber als ich letzte Woche dort entlang gelaufen war und mal wieder kurz mit Josie ins Gespräch gekommen war, fragte sie mich, warum ich immer auf ihrer Seite laufe und doch nie mitkomme. Josie ist eine der Frauen, die dort an der Straße stehen um einsamen Männerherzen eine schöne Zeit zu Zweit ...
... anbieten.
Aber sie ist nicht so wie die anderen Frauen dort. Nein, sie ist etwas Besonderes. Allein ihre Kleidung unterscheidet sie schon wesentlich von den anderen Mädchen dort. Sie trägt nicht diese eng geschnürten Korsagen, bei denen die Oberweite herausquillt und herauszubrechend droht. Josie hat das gewisse Etwas. Die natürliche Schönheit, ein bezauberndes Lächeln und Augen zum Verlieben. Ach wie gerne würde ich viel Zeit mit ihr verbringen. Aber nicht als bezahlte Freundin auf Zeit, sondern als private Freundin, als Liebhaberin oder sogar besser noch als Frau fürs Leben. Doch ich weiß, dass sich dieser Traum wohl nicht erfüllen lässt. In Gedanken steht er jedoch ganz oben auf meiner Wunschliste für den Weihnachtsmann.
Ich beschließe, erneut auf dieser Seite zu laufen und hoffe, dass auch heute Abend Josie dort steht. Auf Höhe der kleinen Künstlerläden erkenne ich, dass ich Josie tatsächlich treffen werde. Dort steht sie in der Hoffnung, dass jemand sie aus dieser Eiseskälte befreit. Vor mir laufen nur Pärchen und kleinere Grüppchen, bei denen auch Frauen mitlaufen. Also keine Gefahr, dass Josie auf einmal mit einem anderen Mann ins Gespräch kommt. Ich merke, wie in mir die Sonne aufgeht. Die Mundwinkel recken sich freudig nach oben und etwas Nervosität macht sich breit.
Josie entdeckt mich erst, als ich nur noch wenige Meter entfernt bin. Sie schaut mich an. Ihre Begrüßung für mich ist „Hallo Spaßbremse“. Einen etwas zweifelhaften Kosenamen hat sie mir da gegeben. Aber seit ...