Der Pianist und das Mädchen
Datum: 08.08.2024,
Kategorien:
Romantisch
Autor: Dingo666
... Hauptquartier ihrer Gruppe darstellte. Das war immer noch besser als der Knochenjob auf dem Markt, bei dem sie jeden Tag ein paar Euro mit Gemüsekisten schleppen und verdiente. Die Jungs machten sowas nicht, sondern gingen davon aus, dass sie ihren Lohn brüderlich mit ihnen teilte.
Claude winkte frenetisch, und sie folgten ihm zögernd nach vorne, in Richtung der Bühne. Auries Verwirrung steigerte sich, eine Mischung aus schmerzlich süßen Erinnerungen an ihren letzten Geburtstag und aus Ungläubigkeit, und Bangen. Claude würde doch nicht wieder ...?
Aber Claude tat es. Als sie alle vor dem Podest standen, da schwang er sich wie ein Cowboy auf den niederen Absatz. Von dort sah zufrieden auf sein Publikum, und pflanzte sich vor den großen, schwarzschimmernden Flügel. Er setzte ein pathetisches Gesicht auf, räusperte sich geziert, und griff in die Tasten.
"Happy birthday to yooooouuu, happy birthday to yoooouu, happy birthday, dear Auriiiieee, happy birthday to yooouu!"
Aurie starrte ihren Freund an. Dieser, unzufrieden mit der zurückhaltenden Reaktion seiner Gefolgschaft, winkte ihnen ungeduldig. Er spielte die simple Melodie erneut mit zwei Fingern und nicht ohne falsche Noten, und sang lärmend dazu. Die anderen fielen zögernd ein. Jac und Pilli sahen sich an, dann Aurie. Schließlich zuckten sie die Schultern und grölten mit. Chica warf ihr beim Singen fragende Blicke zu. Sie war letztes Jahr noch nicht dabei gewesen.
Aurie konnte nicht singen, ihre Kehle war ...
... wie zugeschnürt. Vor einem Jahr hatte Claude genau hier genau die gleiche Show abgezogen! Er war extra für sie in dieses Palais eingebrochen, hatte die Tür geöffnet, und ihr mit den Resten seiner kindlichen Klavierkünste exakt dasselbe improvisierte Geburtstagsständchen geschmettert.
Oh, wie toll hatte sie das damals gefunden! So süß, und so originell. Wie Claude eben war. Weshalb sie ihn ja auch so liebte. Die ganze Zeit seither trug sie die Erinnerung an diesen Abend mit sich wie einen geheimen, behüteten Schatz. Einen Edelstein, den man heimlich herausholt, ihn betrachtet und sich an seinem Besitz erfreut.
Vorsichtig stellte sie die Sektflasche auf den Bühnenrand. Sie wollte nichts mehr trinken. Der leichte Schwindel im Kopf, der für eine so angenehm flirrende Stimmung gesorgt hatte, war ihr plötzlich zuwider. Übelkeit kroch aus ihrer Magengegend hoch.
"Heee, meine Süße. Freust du dich denn nicht?"
Claude hatte das Stück mit einem schrägen Akkord zu Ende geführt und runzelte die Stirn. Tatsächlich: Er hatte es völlig vergessen! Der schönste Abend ihres Lebens, und er hatte ihn vergessen!
"Doch", flüsterte sie erstickt, ohne ihn anzuschauen, und zwang sich ein Lächeln auf die Lippen. Jac machte Anstalten, Claude zu erinnern. Aber alle kannten Claudes andere Seite. Er konnte kalt und gemein sein und zuschlagen, schnell wie eine Natter. In seinem Plan der Dinge war es nicht vorgesehen, dass Untergebenen ihn auf seine Fehler hinwiesen. Jac klappte den Mund ...