1. Urteilsvermögen


    Datum: 14.08.2020, Kategorien: Sonstige, Autor: Besserwisser

    Was befähigt mich, ein Urteil abzugeben? Sachverstand gehört dazu, Sachkenntnis ist hilfreich. Jeder Fußballfan weiß hundert Prozent besser als ein Spieler auf dem Feld, wie man ein Tor schießt. Den Sachverstand besitzt er auch, aber mit der Sachkenntnis, wie ist der Rasen beschaffen, wie ist der Wind, da hapert es dann. Und wenn der Spieler ihn nicht rein macht, dann wird er beschimpft, ausgebuht und ausgepfiffen. Der Spieler keucht noch von dem vorangegangenen Lauf auf das Tor, aber er hört nur Pfiffe und Buh-Rufe. Mit ein bisschen Glück hätte er getroffen, und alle hätten gejohlt und geklatscht. So nah beieinander liegen Erfolg und Misserfolg.
    
    Was hat das mit Sex zu tun? Wenn ich ihn "rein mache", bin ich der glückliche Gewinner, wenn ich zu lange zögere, wenn ich die falsche Taktik anwende, wenn ich einfach nicht den augenblicklichen Geschmack des Lesers treffe, dann bin ich der Verlierer, die Null, die es verdient hat, ausgebuht zu werden. So scheint das manch einer unter den Lesern, zu sehen. Wenn beim Fußballspiel mein Verein verloren hat, gehe ich vielleicht bedrückt nach Hause, aber ich schmeiße keine Stinkbomben in die Mannschaftskabine.
    
    Geht heute deswegen so mancher sogenannter Fan maskiert zum Spiel, damit er nicht erkannt wird? Es ist ein bisschen so, wie wenn ein Leser mit einer Sieben, einer Sechs oder einer Fünf urteilt, aber keinen Kommentar hinterlässt. Er kann pfeifen und Buh rufen, und keiner erkennt ihn, denn er ist ein vielleicht braver ...
    ... Ehemann, der sich zuhause sowas nie trauen würde. Aber er kann ja nichts dafür, alles besser zu wissen. Es ist nun mal so, auch wenn er nicht alles besser kann. Denn könnte er es besser, würde er ja selbst schreiben. Zumindest aber würde er den Autor wissen lassen, woran es aus seiner Sicht gehapert hat. Und dann kommen da noch die Oberschlauen. Sie geben eine Wertung ab mit einer Vier oder weniger. Nun müssen sie kommentieren. Das tun sie dann notgedrungen auch. Aber erstens tun sie es anonym und zweitens häufig unflätig und kaum sachbezogen, denn aussagekräftig zu formulieren, ist nicht ihre Stärke.
    
    Jetzt ahne ich ja schon wieder die Kommentare, die mir nun um die Ohren fliegen werden: Das gehört hier nicht her; diese Jammerkommentare haben hier nichts zu suchen; usw. Und dann gibt es aber auch noch verständige Kommentare für meine Einwände: Was nichts kostet, ist auch nichts Wert; wer unterschreibt schon gerne eine Vier, wenn er sie begründen muss; leider hören einige Schreiberlinge wegen anonymer schlechter Beurteilung oder hässlicher ebenfalls anonymer Kommentare auf, zu schreiben, bedauerte einer meiner Leser.
    
    Es geht nicht darum, und auch mir geht es nicht darum, Leserschelte zu betreiben. Es geht darum, Autoren zu motivieren und gegebenenfalls durch sachliche Kritik dabei zu helfen, sich zu verbessern. Eine Stinkbombe ist dabei wenig hilfreich. Ein Leser schrieb mal: Ich lese abends, um vom Ärger des Tages abzuschalten und mich zu entspannen. Warum tun diese ...
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