1. Wiener Epigramm - oder: Die Lust an der Lust


    Datum: 14.12.2021, Kategorien: CMNF Autor: Anonym

    ... und behauptete: "Madame, irgendwoher kenn ich sie doch, sagen sie waren sie nicht die Maria Stuart im Burgtheater?"
    
    Es war ja nicht ungewöhnlich, dass man als erfolgreiche Schauspielerin Fans hatte, aber in den Kreisen in den sie sich normalerweise bewegte, herrschte ein ganz anderer Tonfall, der solche nun ja – Direktheiten verbat! Da ahnte sie natürlich noch nicht, mit wem sie es zu tun hatte.
    
    "Darf ich mich vorstellen, Wojciech Lammert mein Name!", sagte der Fremde dann und reichte ihr galant die Hand. "Wie gesagt, sie sind doch Anna von Thun, oder?", fragte er mit der Konsequenz von Josef Lang.
    
    "Anna Thun-Hohenstein! Das "von" hat meine Familie 1918 verloren. Der Programmzettel schien das vergessen zu haben!", erklärte sie ihm etwas genervt, speziell in Deutschland nannte man sie ständig "von" Thun, sie wusste auch nicht woran das lag.
    
    "Oh, Verzeihung, sie müssen wissen, ich bin kein regelmäßiger Theatergänger! Aber ich habe damals im Sportinternat Schiller geradezu verschlungen und besonders Maria Stuart, da zog ich immer so eine Kraft heraus!", seine Augen leuchteten, als er ihr das erklärte.
    
    Anna war sich nicht sicher, ob sie ihr Gegenüber nicht auf den Arm nahm.
    
    "Sind sie Skifahrer?", fragte sie.
    
    "Nein. Nein. Ich bin Fußballprofi. Ich spiele linke Außenbahn bei Rapid!", erklärte er hastig.
    
    "Ach darum kenne ich sie nicht!, sagte Anna erleichtert aber gleichzeitig auch etwas verwundert.
    
    "Ich weiß, wir Fußballer gelten als ein ...
    ... wenig..."
    
    "Minderbemittelt!", vollendete sie seinen Satz.
    
    "Sehen sie, Frau Thun-Hohenstein, was ist, wenn ich sie vom Gegenteil überzeuge? Ich bin zwar kein Experte, aber Klimt ist wohl neben Schiller ein Künstler, dessen Weltsicht ich sehr schätze!", sagte er und wies ihr ihm zu folgen.
    
    Zwei Stunden später, um einige Bonmots und Anekdoten reicher, waren sie dann zu Anna gefahren. Und nach einer Tasse Rooibusch und etwas Rosmarinknäckebrot waren sie dann im Bett gelandet.
    
    Es war durchaus schön gewesen, Anna schätzte eine gewisse "Herangehensweise" an die Sexualität, zu der auch die konsequente Verhütung beide Partner zählte. Anna ekelte sich vor Sperma und anderen Körperflüssigkeiten, es erschien ihr irgendwie dreckig und unnatürlich, darob bewunderte sie auch die wirbellosen Tiere und Mikroben, die es ja meist schafften, sich durch Selbstbefruchtung oder mitotische Zellteilung fortzupflanzen!
    
    Der Spaß beim Geschlechtsakt war ihr natürlich wichtig, aber auch nur wenn er unter sterilen Rahmenbedingungen stattfand. Und so hatten sie sich vergnügt, sich sogar ausgezogen dabei und waren selig, Arm in Arm, zusammen entschlafen.
    
    "Sag einmal, Beppi, du bist doch zu blöd für alles!", scherzte Leopold, als Josef seine Kolatsche auf den, von Metallsplittern und Schmutz übersähten, Boden fallen hatte lassen.
    
    "Die geht schon noch!", antwortete Josef, hob sie auf und putzte sie notdürftig mit einem Ärmel seines dreckigen Anzugs. Der Kaffee war schon kalt gewesen als sie angekommen ...
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