?Erinnerung
Datum: 07.09.2022,
Kategorien:
CMNF
Autor: Anonym
Die Erinnerung hatte mich nach fast fünf Jahren wieder nach Hohentraunfels geführt. Es war die Stadt, der ich ein Erlebnis verdanke, das in meinen Gedanken nicht verblassen will.
Meinen Wagen stellte ich an der Pension von damals ab und dann machte ich mich auf den Weg.
Ich suchte und fand den Tisch in dem Restaurant, an dem ich seinerzeit, unschlüssig was ich am Abend unternehmen solle, mein Bier getrunken und die Menschen beobachtet hatte. Ein paar Frauen in altertümlich anmutenden Gewändern, dazu einige Männer mit Kilts, an deren Gürtel Trinkhörner hingen und mehrere, in schwarze Gewänder gehüllte Gestalten hatten sich unter die Gäste gemischt. Sie wurden argwöhnisch beäugt, kümmerten sich aber scheinbar nicht im Mindesten darum. Ich saß allein an einem Tisch, der für sechs Personen Platz bot und so setzten sich fünf von diesen Leuten mit an meinen Tisch. Von Ihnen erfuhr ich, dass ein Mittelalterspektakel in der Stadt gastierte und sie das Wochenende über dort feiern wollten. Ich hatte damals nichts Besseres vor und ging mit ihnen.
Auch heute war ich allein am Tisch, der jetzt nur noch ein Vierertisch war. Es war der gleiche Platz, aber nicht der selbe Tisch. Ich nahm einen großen Schluck aus meinem Glas, lehnte mich zurück, ließ die Gedanken schweifen und versuchte den Abend von damals aus dem diffusen Nebel der Erinnerungen heraufzubeschwören. Geräusche, Bilder und Gefühle sollten noch einmal erlebbar sein, damit ich für mein Vorhaben gerüstet war.
Ich wurde ...
... aus meinen Gedanken gerissen, als eine sportlich elegant gekleidete Dame, die etwa Vierzig Jahre zählen mochte, mich ansprach: "Entschuldigen sie. Ich möchte nicht aufdringlich sein, aber ich sehe, dass sie schon eine Weile allein hier sitzen und das hat mich neugierig gemacht."
Fragend und verständnislos sah ich sie an und brachte zögernd nur heraus: "Wie jetzt?"
Mein Gesicht und die offenkundige Überraschung schienen sie zu amüsieren: "Keine Angst, ich bin nicht auf der Jagd auf wehrlose junge Männer. Ich schreibe ein Buch über die Lebenswelten von Singles in Städten. Das Leben das sie führen und die Geschichten, die sie zu erzählen haben, interessieren mich. "
"Ich bin nicht von hier!", wollte ich sie kurzerhand abeweisen.
"Aber sie scheinen allein zu sein und Zeit zu haben. Das wäre doch schon ein Anfang.", entgegnete sie freundlich.
Wir unterhielten uns eine Weile, sie bestellte Rotwein. Sie wirkte völlig unverkrampft, scherzte, lachte, wenn ich eine ironische Bemerkung machte und allmählich begannen wir beinahe vertraut miteinander zu plaudern und gingen wie selbstverständlich zum Du über.
"Und wie läuft dein Leben? Ich meine ist es so, wie du es dir vor, ...sagen wir 10 Jahren, vorgestellt hast?", begann sie mich auszufragen.
"Über mein Leben will ich dir nichts erzählen." Ich dachte kurz nach. "Aber eine Geschichte, die mich mit dieser Stadt verbindet, gebe ich gern zum Besten, wenn du möchtest."
Sie strich ihr blond gefärbtes Haar nach hinten ...