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    Datum: 05.05.2024, Kategorien: Romantisch Autor: postpartem

    ... Frage hatte eine besondere Bedeutung, das war klar. Was wollte er hier, von mir?
    
    "Ja, ich habe sie noch. Kann sein, dass sie mittlerweile nicht mal mehr bundrein ist, keine Ahnung. Was führt dich zu mir? Jetzt, nachdem du schon zehn Jahre hier bist? Und woher hast du meine Adresse? Ich stehe nicht im Telefonbuch."
    
    "Ja, das war eine scheiß Detektivarbeit, darauf kannst du einen lassen. Am Ende habe ich Ralle ausfindig gemacht. Und der hatte sie."
    
    Ralf, mein sechs Jahre älterer Bruder. Der immer noch in Hannover lebte. Den hatte ich auch schon fünf Jahre nicht mehr gesehen, aber wir schickten uns jedes Jahr zum Geburtstag gegenseitig eine Karte.
    
    "Okay. Und warum?"
    
    "Ich habe diese Band. Geiler Drummer, guter Gitarrist, der Keyboarder so lala, aber für die Musi, die wir machen reicht's. Vier Jahre nur Dreck, kleine Gigs, die nirgendwohin führten, das alte Problem."
    
    Das alte Problem. Einen Sänger oder eine Sängerin zu finden, mit einer Stimme, die die Leute nicht aus den Konzertsälen trieb. Du konntest noch so gute Musik machen, ohne guten Sänger hattest du schlechte Karten.
    
    Erst gegen Ende unserer gemeinsamen Karriere hatten wir einen Sänger gehabt, der gut genug war, um eine erste Platte aufzunehmen. Bis dann aus anderen Gründen mein Leben, meine Träume und meine Band zerplatzte, an dunkelster Realität zerschellte.
    
    "Das alte Problem... so, wie du jetzt grinst, würde ich sagen, ihr habt es nicht mehr."
    
    Er wippte bestätigend und aufgeregt vor und ...
    ... zurück. Genau wie beim Bass-Spielen.
    
    "Ja, Mann. Wir haben
    
    . Die gottverdammte, wahnsinnige, fantastische, geile, absolute, Mega-Stimme. Eine Frau, eine Tusse aus den Staaten, Carol."
    
    "Glückwunsch. Na, dann geht jetzt die Post richtig ab?"
    
    Er seufzte und drehte sich eine Zigarette. Das sah nicht nach Durchbruch aus. Ich hatte mir das Rauchen schon vor zehn Jahren abgewöhnt, besorgte ihm schnell einen Aschenbecher und öffnete die Balkontür.
    
    "Hä? Du rauchst nicht mehr?", gab er seiner Verblüffung Ausdruck.
    
    "Nee, aber ist okay, du kannst hier drin rauchen. Also? Das Problem? Ich rieche ein Problem?"
    
    "Ja, Alter. Das Problem ist, dass sie zu gut für uns ist. Dass die Songs, die wir geschrieben haben einfach nicht gut genug sind. Ich war ja nie so der Komponist, das machen bei uns Lippe, das ist der Gitarrist und David, das ist der Keyboarder, auch 'n Ami."
    
    Hm. Das war ein Dilemma. Und was hatte ich damit zu tun?
    
    "Sie sagt nichts, singt den Scheiß, den wir schreiben, aber lässt uns fühlen, dass es nicht gut genug ist. Und sie sich bald absetzt, wenn sich das nicht ändert."
    
    "Das ist natürlich blöd."
    
    "Das ist mehr als nur blöd. Ich bin fünfzig, Alter, was glaubst du, wie viele Gelegenheiten wie diese ich noch hab? Und es ist eine verdammte Gelegenheit, verflucht. Sie hat eine Stimme, die dir eine Gänsehaut macht, eine Bandbreite, die es eigentlich gar nicht geben dürfte."
    
    Aha. Und nun? Was hab ich damit zu tun?
    
    Er wippte weiter vor sich hin, drückte ...
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