Reise der Lust (Teil 01)
Datum: 29.08.2024,
Kategorien:
Betagt,
Autor: byMax_Lust
Zügig schritt er den nackten Gang entlang. Zu beiden Seiten passierte er dabei immer wieder Türen aus Stahl. Vor einer blieb er stehen. Er schaute kurz nach links, dann nach rechts und überzeugte sich, dass er alleine war. Dann drückte er einen Knopf neben der Tür. Aus dem Rauminneren drang der Klingelton zu ihm hindurch. Normalerweise konnte man ihn auf dem Gang nicht hören. Aber zu dieser Zeit, in dieser Totenstille, war der Ton lauter als erwartet. Durch zusammengepresste Zähne atmete er scharf ein, als ob er damit den Schall dämpfen könnte. Dann richtete er seinen Blick nach rechts oben. Ein wenig über der Tür erschien ein kleines rotes Licht und er blickte etwas verunsichert in die Linse der Kamera. "Sie sieht mich", dachte er und versuchte diesem Fakt entgegen ruhig zu bleiben. Sein pochendes Herz zu ignorieren war ihm jedoch unmöglich. Ein Klackgeräusch holte ihn wieder ins Hier und Jetzt zurück. Sie hatte die Tür entsperrt.
Er überzeugte sich ein letztes Mal, dass außer ihm niemand auf dem Gang war und trat ein. Die Tür schloß sich hinter ihm und das Klackgeräusch bestätigte das erneute Verriegeln. Der Raum war fast ganz dunkel. Es waren fast nur Umrisse zu sehen, aber man konnte trotzdem erkennen, dass es sich um einen einzigen etwa quadratischen Raum handelte. Nicht ganz; außer der Eingangstür gab es noch eine weitere. Er wusste, dass diese in ein kleines Bad führt, da sein eigener Raum identisch war.
In der Dunkelheit konnte er einen Schreibtisch ausmachen, ...
... einen Schrank, eine Kommode und schließlich ein Bett. Damit war der Raum auch fast gefüllt. Ein kleines Fenster gewährte ihm einen Ausblick ins dunkle Nichts, welches lediglich mit ein paar weißen Punkten gesprenkelt war. Neben dem Bett - welches rätselhafterweise breiter war, als sein eigenes - auf dem kleinen Nachttisch, versuchte ein kleines Lämpchen vergeblich den ganzen Raum mit seinem warmen Schein zu illuminieren. Vorsichtig näherte er sich dem Licht und blieb an der Seite des Bettes stehen. Sie lag auf der Seite, von der Bettdecke bis zum Hals verhüllt. Sie hatte sich gerade auf einen Ellenbogen gestützt und blickte zu ihm hoch. Sie war etwas verschlafen, er hatte sie wohl geweckt, aber trotzdem empfing sie ihn mit einem warmen Lächeln. Er sah ihr in die Augen und konnte nicht anders als zurückzulächeln. Mit einem Blick war sie im Stande ihn seine Unsicherheit vergessen zu lassen. Es war ihre Aufrichtigkeit, die er so deutlich darin spürte.
So sahen sie für einen Augenblick einander an, wortlos. Vor ihr stand ein junger Mann, wohl kaum zwei Jahrzehnte alt, im Schlafanzug. Äußerlich hob er sich von anderen in seinem Alter nicht merklich ab. Doch etwas an ihm fand sie besonders: seine Augen. Es schien ihr, als ob diese Augen bereits viel gesehen hätten und als ob sie tief in Menschen hineinschauen könnten, auch in sie selbst. Sie fragte sich oft, was diese Augen wohl alles sehen. Mit einer Hand hob sie die Bettdecke hoch und gewährte seinem Blick freien Zugang von ...