1. Urlaub in Frankreich 02


    Datum: 21.08.2019, Kategorien: Nicht festgelegt, Autor: bygoldsteyn

    Nach einer Weile ging er hinunter in die Küche um sich einen Kaffee zu machen. Seine Gedanken waren in der Vergangenheit. 'Heute im Angebot', dachte er, 'die sexuellen Erlebnisse und Gedanken des Andreas F. über drei Jahrzehnte. Eine Geschichte von Langeweile und merkwürdigen Zufällen mit einer unglaublichen Explosion am Ende.'
    
    Er dachte an Claudia. Claudia wohnte im Haus der Nachbarn, im Vorstadt-Dorf, in dem sie beide groß wurden. Ein Einzelkind, wie er. Oft spielten sie miteinander, und Claudias Lieblingsspiel war Cowboy und Indianerin. Der Cowboy musste die Indianerin fesseln, und manchmal musste er dann auch gemein zur Indianerin sein, zum Beispiel ihr den Arm verdrehen bis es weh tat, weil alle Cowboys gemein zu den Indianern waren. Dann kamen sie in das Alter, in dem Andreas mit den Jungs aus seinem Sportverein zusammen war, und Claudia mit ihrer Mädchen-Clique, und sie spielten nicht mehr miteinander. Manchmal trafen sie sich aber doch noch, zum Beispiel um gemeinsam für eine Arbeit zu lernen. Andreas erinnerte sich an einen Nachmittag, sie waren vierzehn und saßen im Wohnzimmer ihrer Eltern, die beide auf einem Freundschaftsnachmittag ihres Kegelclubs waren und erst spät abends zurück erwartet wurden. Er sollte Claudia Mathe beibringen, aber sie waren beide nicht bei der Sache. Eine undefinierte Spannung lag zwischen ihnen.
    
    'Ach, ich versteh das sowieso nicht!', sagte Claudia. Dabei war sie gut in Mathe. 'Dieses blöde Lernen macht doch keinen Spass. Lass uns ...
    ... etwas anderes machen.'
    
    'Wozu hast Du denn Lust?'
    
    'Lass uns in Kino gehen.'
    
    'Klar, können wir machen', sagte Andreas, obwohl er sich komisch dabei vorkam.
    
    Es war später Nachmittag, eigentlich zu früh, um ins Kino zu gehen, und es kamen auch keine guten Filme. Sie sahen sich einen Teil der Star Wars Serie an, den beide schon kannten. In der Dunkelheit des Kinos fand Claudias Hand die von Andreas, und er nahm das erste Mal den Geruch ihrer Haare war. Er hatte das Gefühl, an der Schwelle zu einem riesigen, unbekannten Raum zu stehen, in dem lauter unbekannte Gefahren auf ihn lauerten. Dabei blieb es. Nach dem Kino war es auch draußen dunkel geworden, und dann standen sie wieder mit ihren Fahrrädern vor dem leeren Haus von Claudias Eltern.
    
    'Komm doch nochmal mit hinein', sagte sie, aber als er einen Moment zögerte, fuhr sie fort mit: 'Ach, vielleicht auch nicht.'
    
    Auf dem Nach-Hause-Weg hatte er das Gefühl, etwas falsch gemacht zu haben, aber er hatte keine Ahnung, wie es richtig gewesen wäre. Er wollte es gerne herausfinden, aber dazu kam es nicht, denn zwei Monate später zog sie mit ihren Eltern in eine andere Stadt. Wahrscheinlich hätte er nie erfahren, wie der Abend hätte weitergehen sollen.
    
    Aber manchmal kommt es nicht so, wie es die Wahrscheinlichkeit vorsieht, und das war so ein Fall. Zehn Jahre später fuhr er mit seinem ersten eigenen Kleinwagen aus dem Vorstadtdorf nach Frankfurt zurück, er hatte seinen Eltern erzählt er müsste Klausuren schreiben, was ...
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