1. Die Walküre


    Datum: 08.09.2019, Kategorien: Kunst, Autor: baer66

    Die Walküren: liebliche Wunschmädchen der gefallenen Helden, denen sie in Walhalls Saal Gesellschaft leisten, kampfeslustige Streiterinnen Wotans. Mit leuchtenden Augen und holden Lippen sind die kühnen, herrlichen Kinder des Göttervaters größter Stolz.
    
    Die Wikinger haben in Polarlichtern ein Zeichen für die Anwesenheit von Walküren auf der Erde gesehen und daß irgendwo auf der Welt eine große Schlacht geschlagen worden ist. Wenn die göttlichen Frauen über die Schlachtfelder reiten und die ehrenvoll Gefallenen auswählen, spiegelt sich das Licht des Mondes in ihren goldenen Rüstungen und zaubert das „Nordlicht“ an den Himmel.
    
    Der Winter im hohen Norden ist grimmig kalt, windig und vor allem finster. Zwei Monate oder mehr schafft es die Sonne nicht über den Horizont, an schönen Tagen kann man dann mit Glück zwei oder drei Stunden eines milden Dämmerlichts genießen.
    
    Das ist das Land, wo die nordischen Sagen entstehen. Die Welt der Götter, Riesen und Zwerge. Und die der Helden.
    
    Der Göttervater verbannt sein schönstes, liebstes Kind, Brünnhilde,auf einen einsamen eisigen Felsen.
    
    "Leb wohl, du kühnes, herrliches Kind!
    
    Du meines Herzens heiligster Stolz!
    
    Leb wohl! Leb wohl! Leb wohl!"
    
    Dort kann sie nur der furchtlose freie Held erobern.
    
    Der Held, der die Götter vor dem Untergang bewahren soll.
    
    "Flammende Glut umglühe den Fels;
    
    mit zehrenden Schrecken
    
    scheuch es den Zagen;
    
    der Feige fliehe Brünnhildes Fels!
    
    Denn einer nur freie die ...
    ... Braut,
    
    der freier als ich, der Gott!"
    
    Der Student S. hat sich in den kalten finsteren nordischen Winter gewagt. Durch die eisige Nacht stapft er zur Paßhöhe, um das Nordlicht zu sehen. Jeder Atemzug schmerzt in der Kälte. Er ist ganz allein, fühlt sich einsam. Die verschneiten Berge glänzen im Mondlicht. Der Nachthimmel ist von Sternen übersät und wirkt wie ein schwarzes Tuch mit Millionen funkelnder Diamanten.
    
    Beim mühsamen Aufstieg hilft S. der Gedanke an die Musik Richard Wagners. Und er denkt zärtlich an seine liebe Zwillingsschwester daheim. Ihretwegen hat er bisher keine sexuelle Beziehung eingehen wollen.
    
    "Die Walküre" von Richard Wagner ist seit vielen Jahren die Lieblingsoper des Studenten. Wie vielen Wagnerianern gefällt auch ihm der erste Aufzug am besten. Unzählige Male hat er am Stehplatz die große Liebesszene des Geschwisterpaars Siegmund und Sieglinde miterlebt, hat sich am Widerstand des Komponisten gegen die spießige bürgerliche Konvention des 19.Jahrhunderts gefreut.
    
    Thomas Manns "Wälsungenblut kennt er fast auswendig.
    
    Vor Beginn der Vorstellung liest er öfter einmal seine Lieblingsszenen:
    
    In der Oper angekommen, begegnen die neunzehnjährigen Zwillinge, nicht zum ersten Mal, in den nordischen Götterkindern Siegmund und Sieglind ihren eigenen Spiegelbildern, begegnen und erleben triumphierend mit, wie Sieglind durch einen starken Zaubertrank den verhaßten Hunding, den man ihr als Ehemann aufgezwungen hat, in einen Tiefschlaf versetzt, um sich ...
«1234...»