Die Hexe - mehrteilige Geschichte
Datum: 02.10.2019,
Kategorien:
Medien,
Autor: Anonym
Tschüss, und noch einmal: Gute Besserung“ sagte ich zu meiner Kollegin. Ich schloss hinter mir die Tür zu ihrem Krankenzimmer und machte mich auf den Weg ins Erdgeschoß
der großen Klinik.
Draußen auf der Hauptstraße, schlug mir ein kühler Luftstrom entgegen, den
ich als sehr angenehm empfand, denn heiß und trocken war es seit Wochen gewesen. Jetzt endlich hatte es geregnet! Vor kurzem erst, denn die Straße und das Trottoir waren noch feucht und von den Büschen herab tropfte es.
Ich wandte mich der nahe gelegenen U-Bahn-Station zu, tat ein paar Schritte, hielt inne.
Zu schön war doch der Abend, um
bereits nach Hause zu fahren! Die Luft war erfüllt vom Geruch des nassen Laubs, es roch nach frisch gemähtem Gras, es war Sommer, war Juni. Ich fühlte mich frei und beschwingt und dachte bei mir:
„Eine Sünde wäre es, jetzt in die U-Bahn zu steigen! Ich will erst noch ein Stückchen gehen, die Kraft meiner Jugend in mir spüren! Mindestens bis zur nächsten Station will ich gehen und vielleicht noch darüber hinaus!“
Es begann schon dämmrig zu werden, aber es waren genügend Passanten unterwegs, als dass ich mich davor gefürchtet hätte, als junge Frau alleine dahinzugehen. So machte ich mich auf den Weg und - hielt nach einigen wenigen Schritten an.
Mein Blick war auf die Fußspur
eines Menschen gefallen, die, von einem ungepflasterten Seitenweg kommend, auf das Trottoir einbog. Ganz deutlich zeichnete sie sich auf den mittlerweile fast trockenen ...
... Steinplatten ab und es war die Spur einer Person, die mit nassen und vor allem eindeutig nackten Füßen unterwegs gewesen war. Jede Zehe, die Fußkante und auch die Ferse hatten einen eigenen Abdruck hinterlassen.
Klein und schmal erschienen mir die Abdrücke. Ich schaute um mich und als ich bemerkte, dass sich in meiner Nähe niemand befand, schlüpfte ich rasch aus einem Schuh, stellte meinen bloßen Fuß neben einen der Abdrücke und sah, dass er mit ihm fast deckungsgleich war.
Ich habe kleine Füße und kam so zu dem Schluss, dass hier eine Frau entlanggelaufen war. Hoffte es zumindest, denn ich bin auch Frauen zugetan, liebe es, ihnen dabei zuzusehen, wenn sie barfuß gehen, und bin auch selbst gern barfuß unterwegs, im Freien, in der Stadt, fast überall
„Schade“ dachte ich, „hier ist vielleicht wirklich eine Frau bloßfüßig entlang gekommen
und ich habe sie knapp verfehlt! Aber vielleicht …“
Ich sah angestrengt den Gehweg hinunter, folgte mit den Augen der Spur,
die sich schon bald
in der Dämmerung verlor, konnte aber niemanden entdecken, der in ihrer Richtung ging.
„Was, wenn ich mich beeile?“ kam es mir in den Sinn. „Und wenn ich sie auch nicht mehr einhole, will ich mich ihr doch nahe fühlen, es ihr gleich tun, auf ihren Spuren wandeln. Will ihr barfuß folgen!“
Voll der Begierde, die jetzt in mir aufstieg, zog ich auch meinen zweiten Schuh aus, ertastete mit beiden nackten Sohlen den rauen Boden, trat beidfüssig in eine Pfütze, denn auch ich wollte Spuren ...