1. Der Neuanfang


    Datum: 18.10.2019, Kategorien: Reif Autor: lost_of_mind

    ... einem Rausch, süchtig nach einem bisschen Selbstbestätigung?
    
    Diesmal dauerte das Umziehen länger. Es wurde im Schuhschrank im Flur gewühlt, das konnte er hören. Tante Eleonore schlüpfte offensichtlich wieder in andere Schuhe, am unregelmässigen Tackern der Absätze vermutete der Junge dass sie gerade den Sitz der Schuhe am Fuß probierte. Danach regelmäßiges langsames tackern von Schritten. Gebannt starrte Jakob zur Tür.
    
    Dann stockte ihm fast der Atem. Tante Eleonore trug etwas von dem hauchzarten Nichts, was sie vorhin so reichlich in den oberen Teil des Schrankes geschaufelt hatten. Jakob wollte möglichst Cool, Erwachsen wirken. Was ihm nur zum Teil gelang.
    
    "Aha, ist jetzt Winterzeit angebrochen?" versuchte er zu scherzen, gleichzeitig hoffte er seine Gesichtszüge im Zaum halten zu können.
    
    Tante Eleonore stellte sich mitten in den Raum, stemmte die Hände in die Hüften, winkelte ein Bein an. Drehte sich mehrmals langsam dezent tanzend, mit aufreizenden Bewegungen des wohlgeformten Beckens.
    
    "Sieh dir das an, Jakob!" Befahl sie. "Das hat dein Onkel Peter gegen einen 40kg Hungerhaken aus Asien getauscht. Hättest du das auch so gemacht?"
    
    Jakob schluckte trocken. Nein, hätte er nicht. Durfte er das so sagen? Aber wollte seine Tante nicht genau dass er das sagt? Sein Unbehagen stieg immer weiter. Sie wollte ein Kompliment. Sie wollte Bestätigung, ganz Offensichtlich. Die Scheidung hatte sie doch sehr viel tiefer getroffen als alle immer vermutet hatten. Das hier ...
    ... würde erst Aufhören wenn sie ihr Selbstbewusstsein nivelliert hätte? Bettelte sie nicht geradezu nach etwas Anerkennung? Jakob rang sich ein paar lobende Worte ab, wie offensichtlich gewünscht.
    
    "Nein, hätte ich niemals getauscht!" sagte Jakob mit trockenem Mund. Das war nichtmal gelogen,
    
    seine Tante sah einfach nur scharf aus. "Ich kenne dich ja im Alltag nicht, aber du scheinst mir recht Nett zu sein. Auf jeden Fall netter wie meine Mutter." Ein anderer Vergleich fiel ihm auf die schnelle nicht ein, viele Vergleiche hatte er zudem noch nicht. "Ich finde auch dass du dich körperlich echt gut gehalten hast, wirklich eine Augenweide! So eine Frau muss man nicht verlassen."
    
    Ihre Gesichtszüge wirkten irgendwie erleichtert, ihre Stimmung schien stark am wanken. Bevor ihr Gesicht die unschlüssige Stimmung verraten konnte setzte sich Tante Elli neben Jakob auf das Sofa und beginnt plötzlich zum schluchzen.
    
    Jetzt kam genau das was Jakob eigentlich vermeiden wollte, was er auch schon von seiner Mutter so kannte. Das Auskotzen. Das geduldig zuhören müssen, das Aufmerksamkeit heucheln obwohl man eigene Probleme hatte. Das Palavern vom hundertste ins tausendste, Schuldzuweisungen und Anklagen, den Zuhörer manipulativ auf ihre Seite ziehen wollen, das was Frauen so bis zur Perfektion beherrschen.
    
    Jakob fühlte sich als Handwerker, nicht als Seelenklempner. Seine eigentliche Aufgabe in diesem Haushalt hatte er längst erfüllt. Ein Fluchtinstinkt regte sich.
    
    Tante Eleonore ...
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