1. Die Akt-Sitzung geht weiter


    Datum: 31.05.2019, Kategorien: Kunst, Autor: Anonym

    ... dabei, das kannst du wissen. Wir haben nämlich auch noch unsere Schönheiten, wenn man auch vor manches Teil mal einen Blumentopf hinstellen musste. Nein, mir gefällt die Idee sehr gut. Da kann ich mir mal die Dichterlesung „Erotische Geschichten für das reifere Alter“ sparen. Da ist ja zurzeit fast gar nix mehr los.“
    
    Alle lachen mit und über Gertrud. Also machen wir weiter. Auch ich. Den Stuhl hatte ich ja vom Podest gestoßen. Also greife ich mir eines von den Schaumgummikissen, die überall auf den Stühlen liegen und setze mich darauf. Oben auf dem Podest natürlich. Da gehe ich in den Schneidersitz, mache mein Joga und meine Beckenboden-Gymnastik
    
    und erwarte die Wünsche der Kursteilnehmer. Es herrscht wieder Stille. Manche fangen an zu Zeichnen, andere sind unschlüssig und warten ab, was da noch kommt. Sie können mit der neuen Freiheit noch nichts Rechtes anfangen. Aber sie sind alle näher an mich ran gerückt. Martin bricht das Schweigen:
    
    „Was war denn eigentlich los mit diesem Björn? Warum ist
    
    der denn so plötzlich abgehauen? Oder hast du ihn rausgeschmissen, Andreas?“
    
    Damit hat wieder mal einer den Stein ins Rollen gebracht.
    
    Andreas sagt nur so beiläufig:
    
    „Och, nichts Besonderes. Er hat mir gesagt, dass er den Anblick und den Geruch von Weiberschnecken auf den Tod nicht ertragen könne und dass er die Vulva, die Brüste und den Hintern von Johanna außerdem abstoßend, abnormal und hässlich findet. Er ist eben schwul und hatte ein männliches Modell ...
    ... erwartet“.
    
    Ein anfängliches Murren und Grummeln steigert sich schnell zum lauten Protest. „So ein unverschämtes Schwein! Bei aller Toleranz, das geht aber zu weit!“ Mike ruft schwärmerisch aus: „Johannas Muschi ist die schönste, die ich je gesehen habe!“ Und Helmut fragt scherzhaft nach: „Von wie vielen denn, Mike?“
    
    Andreas beschwichtigt. „Bitte keine Exzesse. So was gibt es eben und er hatte sich leider irrtümlich hierher verirrt. Er ist kein schlechter Mensch, er tickt eben nur anders. Aber es muss doch einen Grund haben, dass es manche Menschen tatsächlich so empfinden. Warum denn? Fragen wir doch einfach mal die Eigentümerin, was sie dazu meint. Johanna, findest du irgendwas an dir hässlich? Und speziell, wie findest du deine Vulva?“
    
    Aha, denke ich. Jetzt beginnt der freie Gedankenaustausch. Die erwarten jetzt von mir eine ehrliche Antwort. Möglichst begründet. Also anschaulich. Und das Anschauungsmaterial habe ich dabei, zufällig. Jetzt geht es
    
    ans Eingemachte. Da stelle ich mich doch erst mal hin, damit ich einen Überblick habe.
    
    Ich fange also mal oben an. Meine Haare: hüftlange aschblonde Wellenlocken mit hellblonden und braunen Strähnen darin.
    
    Ich breite sie mit meinen beiden Händen zum Schleier aus und sage: „Die sind schön, na manchmal, wenigstens.“
    
    Meine Augen. Ich kann sie zwar jetzt nicht sehen, aber ich weiß, dass sie stahlblau sind, mit langen Naturwimpern. Ich zeige mit je zwei Zeigefingern darauf. „Schön.“ Kommt es im Chor. Im drehe mich um meine ...
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