1. Weeslower Chroniken I - 1997 - Nadine - Kapitel 1 - Wieder aufgetaucht


    Datum: 19.10.2022, Kategorien: Schamsituation Autor: nudin

    ... Weeslow, gefällt mir sehr, vor allem wegen der herrlichen Natur und dem wunderschönen Badesse
    
    (kennst Du den? Gibt es erst seit etwa fünf, sechs Jahren, waren früher Kiesabbaugruben, die nun zu einem Badesee zusammengeführt
    
    wurden.) Und hier wohnen viele sehr interessante Menschen, irgendwie eine kleine Enklave von Stadtflüchtern, Lebenskünstlern, echten
    
    Künstlern und bildungshungrigem Landvolk.
    
    Was machst Du? Du bist nächstes Jahr mit dem Abi dran, nicht wahr? Schwere Zeit gerade, oder? Vermutlich immer noch das Heine-
    
    Gymnasium? Erzähle mir gern ein bisschen von Dir. - Übrigens, erinnerst Du Dich noch an die Geschichte mit dem rosa Melkschemel? Den
    
    habe ich immer noch - der gehört Dir! Ich bringe ihn Dir bei nächster Gelegenheit - oder Du kommst mal vorbei. Vielleicht führt Dich ja der
    
    Weg mal nach Weeslow - da kommt man in der Nähe vorbei, wenn man über Landstraßen von Berlin aus Usedom oder so erreichen will. Du
    
    bist dann herzlich eingeladen vorbeizukommen!
    
    Liebe Grüße
    
    Michael (lass bitte das Siezen sein, wir sind ja nicht mehr in der Schule!)"
    
    Nadine konnte es kaum glauben. Sie hatte sogar eine Einladung von ihm erhalten. Oh, wie gern würde sie dem folgen. Sofort, wenn möglich... Die drei Tage Wartezeit auf die Mailantwort hatten sie innerlich sehr beschäftigt, hatten eine neuentfachte Sehnsucht nach ihm ausgelöst. Sie musste sofort antworten.
    
    "Hallo Michael (danke für das Du!),
    
    ich habe Weeslow auf der Karte entdeckt, so weit weg ...
    ... ist das ja gar nicht :-). Allerdings habe ich noch keinen Führerschein, also müsstest
    
    Du kommen, um mir meinen Schemel zu bringen. Ich habe ihn schon sooo vermisst.
    
    (Habe übrigens immer nur an Wochentagen zwischen 13.30 Uhr und 14.00 Uhr die Möglichkeit, zu schreiben - von der Schule aus. Zu
    
    Hause haben wir kein Internet.)
    
    Liebe Grüße Nadine"
    
    Diesmal ließ die Antwort nicht lange auf sich warten, sie kam sofort.
    
    "Das kommt mir bekannt vor, ich schreibe auch von der Schule aus, da in meinem Haus noch gar nichts funktioniert, nicht mal das Telefon.
    
    Deshalb kann ich auch im Moment nur schlecht hier weg: Ich baue mir eine alte Scheune als Wohnhaus aus und will in einigen Tagen so
    
    weit fertig sein, dass ich zumindest mit fließendem Wasser und Strom darin wohnen kann. - Und was machst Du in den Sommerferien?"
    
    Das war eine gute Frage. Eigentlich nichts. Die Pläne, die Nadine mit Jan gemacht hatte, hatten sich ja zerschlagen. Und mit ihrer Mutter und ihrem Bruder wieder für zwei Wochen nach Ruhpolding zu Onkel und Tante - oh nein, das hatte sie diesmal abgelehnt. Sie würde allein zu Hause bleiben, das hatte sie mit ihrer Mutter schon vereinbart. Ab und zu an den See raus fahren, lesen und sich mit den daheimgebliebenen Freunden treffen, vielleicht mal zur Oma, viel war das nicht, aber immerhin, zum ersten Mal allein für längere Zeit.
    
    Könnte sie da nicht auch mal zu ihm, zu Michael Schneider, mal zu Besuch? Nadine kribbelte es sofort wieder am ganzen Leib. ...
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