Weeslower Chroniken I - 1997 - Nadine - Kapitel 1 - Wieder aufgetaucht
Datum: 19.10.2022,
Kategorien:
Schamsituation
Autor: nudin
... tun?" Hinter der großen blonden Pastorin erschien ein neugieriges ebenso blondes Mädchen, etwa vier Jahre alt und fiel der Besucherin sofort freudig in die Arme. Nadine hütete ab und zu ein und spielte für die kleine Marie Babysitterin.
Sie hatte sich vorgenommen, keine allzu umständliche Geschichte zu erzählen, sondern gleich zur Sache zu kommen: "Meine Mutter hat mir erzählt, dass Michael Schneider bei Dir zu Besuch war."
"Das stimmt."
"Hast Du seine Adresse? Oder Telefonnummer?"
Dorothea zögerte einen Moment. Aber dann sah sie keinen Grund, Nadine nicht zu geben, was sie wollte. "Ich habe eine Telefonnummer von ihm, und eine E-Mailadresse. Warte."
Sie ging hinein. Nadine zog auf den Stufen abwechselnd mit Marie Grimassen, um sich die Zeit zu vertreiben. Dann gab die Pastorin dem Mädchen einen Zettel. "Ehrlich gesagt, ich weiß gar nicht, ob diese Nummer noch aktuell ist, aber diese E-Mailadresse ist es auf jeden Fall, ich habe gerade letzte Woche eine E-Mail von ihm bekommen."
Nadine bedankte sich artig und verabschiedete sich eilig. E-Mailadresse! Sie musste schmunzeln. Wir haben zu Hause nicht mal Internetanschluß! Aber an der Schule hatte sie ein Postfach eingerichtet bekommen, in der Computer-AG, und immer nachmittags ab 13.30 Uhr durften sich die Schüler der AG für eine halbe Stunde "einloggen" und sich gegenseitig schreiben, etwas, was völliger Unfug war, denn sie saßen alle in demselben Raum, und wem als einander hätten sie schreiben ...
... sollen?
Nun gab es jemanden. Doch was sollte sie schreiben? Oder doch lieber anrufen?
Am nächsten Tag nach dem Mittagessen ging sie in den Computerraum der Schule, eher ein alter Abstellraum, dafür mit immerhin acht neuwertigen Computern. Diesmal war sie allein. Sie schaltete einen der PC an und brachte über das rauschende Modem eine Internetverbindung zustande, dann öffnete sie ihr Postfach. Und nun? Sie musste sich beeilen, die halbe Stunde war schon zur Hälfte vorbei.
"Lieber Michael Schneider,
meine Mutter hat mir Ihre Grüße bestellt. Herzlichen Dank, ich habe mich sehr gefreut! Wie geht es Ihnen? Lange habe ich schon nichts
mehr von Ihnen gehört. Vielleicht haben Sie ja mal Lust, sich zu melden.
Liebe Grüße
Nadine Bauer"
Das war absolut unverfänglich, fand sie. Und ließ doch alles offen. Einige Augenblicke zögerte sie noch, dann drückte sie auf Senden.
Es tat sich nichts. Nach zehn Minuten war ihre Zeit um. Sie entschloß sich, auszuschalten und zu gehen.
Auch am nächsten Tag gab es keine Reaktion. Auch nicht am übernächsten. Schon zweifelte Nadine daran, dass die Adresse richtig war.
Dann kam, drei Tage später, die Antwort:
"Liebe Nadine!
Wie schön von Dir zu hören. Ja, ich war mal wieder in der Nähe und habe Dorothea besucht. Sie ist mir immer eine große Hilfe, wenn ich mal
Rat brauche. Mir geht es prima. Ich fühle mich an der neuen Schule, dem Gymnasium Festenwalde, wie zu Hause, und auch das kleine
Städtchen nebenan, in dem ich wohne, ...