1. Weeslower Chroniken I - 1997 - Nadine - Kapitel 1 - Wieder aufgetaucht


    Datum: 19.10.2022, Kategorien: Schamsituation Autor: nudin

    ... sie den Gedanken weiter, wenn es passierte? Würde sie
    
    nein
    
    sagen? Wollte sie
    
    nein
    
    sagen? Ihr war klar: Einmal bei ihm, käme sie da nicht mehr heraus, wenn es in eine bestimmte Richtung laufen würde. Sie würde ihm nicht lange widerstehen können. Und wollen. Ihn besuchen hieße, sich von vornherein zu entscheiden und zu allem bereit zu sein. - Aber sie war jung und ungebunden, niemandem gegenüber verpflichtet, erwachsen - oder beinahe jedenfalls, wie sie sich sofort selbst korrigierte. Und er anscheinend auch. Ein paar Tage - oh darüber hatten sie ja noch gar nicht gesprochen, wie lange würde sie dort bleiben können? Egal, jeder Tag zählte.
    
    So sehr sie versucht war, ihm irgendetwas zu antworten, sie konnte sich nicht entscheiden, was, und darüber schlief sie schließlich doch noch ein.
    
    Am nächsten Morgen musste sie vollkommen übermüdet zur Schule. Unkonzentriert und abwesend dachte sie darüber nach, wie sie nun ihrer Mutter ihre Pläne unterbreiten konnte. Es gab dabei vieles zu bedenken.
    
    Mittags, per Mail, half ihr Michael dabei: Er würde einfach von sich aus ihre Mutter anrufen, schlug er vor. Ihr kürzliches Zusammentreffen hätte ihn auf die Idee gebracht, würde er ihr erzählen. Er würde sie nicht mal anlügen müssen: Er plane, doch noch spontan eine Ferienfreizeit anzubieten, und da seien noch Plätze frei (was ja auch stimmte), da habe er an Nadine gedacht. Und um Nadines sofortige Befürchtung, die Mutter könnte Eric, ihren Bruder, ins Spiel bringen, zu ...
    ... zerstreuen, würde er von vornherein die Altergruppe auf 16-18 Jahre begrenzen.
    
    Der Plan ging auf. Als Nadine am nachfolgenden Tag morgens in die Küche kam, berichtete ihre Mutter ihr von einem Telefongespräch, das sie am Abend zuvor mit Michael Schneider geführt habe, und fragte sie, ob sie Lust hätte, zwei, drei Wochen in Weeslow in einer Art Ferienlager zu verbringen. Sie habe ja doch nichts anderes vor. Dazu erzählte sie ihr die von Nadine selbst mitausgeheckte Geschichte.
    
    Nadines Atem stockte. Zwei, drei Wochen?! So lange? Das war mehr als sie erträumt hatte. Doch sie gab sich zunächst zögerlich und tat, als wäre dieser Vorschlag völlig neu für sie. Dabei waren seit Tagen ihre Gedanken nur bei ihm.
    
    "Ja, gut. Warum nicht. Also, eigentlich... Was passiert denn da?"
    
    "Weiß ich auch nicht so genau."
    
    "Okay, ich könnte ihn ja mal anrufen." schlug Nadine schnell vor, ehe ihre Mutter auf die Idee kam.
    
    Ob man ihn eigentlich auch anrufen könne, fragte sie ihn per Mail, die ihr einst von Dorothea gegebene Telefonnummer sei irgendwie falsch. Leider immer noch nicht, antwortete er, er sei dort noch immer ohne Festnetz-Anschluß. Er habe sich ein Handy besorgt, mit dem er es nun immer von Festenwalde aus probieren könne - denn sein Häuschen lag mehr oder weniger in einem Funkloch. Das sei zwar verheerend teuer, aber für´s erste die einzige Möglichkeit. Er gab Franziska die Nummer.
    
    Zwei, drei Wochen ohne Telefon? Das war ja wie auf einer einsamen Insel, sagte sie sich ...