1. Nachtdienst


    Datum: 02.02.2023, Kategorien: CMNF Autor: Anonym

    Mit lautem Scheppern fiel die schwere Gittertüre ins Schloss. Den ersten Rundgang geschafft! Alles ruhig, nichts los. Die Insassen sahen entweder fern oder lasen in ihren Betten. In ihrer Wachstube wartete ein warmer Kaffee in der Kaffeemaschine. Der Kollege, der mit ihr für den Nachtdienst eingeteilt war, hatte sich kurzfristig krank gemeldet. Also musste sie den Dienst alleine schieben. Das kam nicht allzu oft vor, es widersprach streng genommen sogar der Dienstvorschrift. Doch in der Nachtschicht nicht das große Problem, denn alle Zellen sind zu Dienstbeginn
    
    schon verschlossen. Nachts werden nur stündlich Kontrollgänge gemacht, die genau protokolliert werden müssen.
    
    Seufzend öffnete sie den Kragen der Uniformbluse. Welche Zellentür hatte sie gerade aufgesperrt? Nummer 32 oder 33? Na egal!
    
    Allein der Gedanke daran erzeugte eine Gänsehaut auf ihren Rücken, die Nackenhärchen stellten sich auf. Sie fühlte sich wie kurz vorm Öffnen eines Ü-Eies: Vorfreude und Spannung mit der Aussicht auf was zum Spielen und Genuss.
    
    Mit glänzenden Augen zog sie sich weiter aus. Wie sie diese Kluft hasste, kratzige Hosen, enger Kragen, einfach nur unbequem. Sie angelte ihre Tasche unter dem Tisch hervor. Jogginghose und Schlabber-T-Shirt heraus. Schnell hängte sie ihre Uniform auf den Bügel und schlüpfte in die bequemen Sachen. Nachts kann sie ja keiner sehen. Ob in korrekter Uniform oder barfuss im Freizeitlook, das spielt keine Rolle.
    
    Sie prüfte ihre Überwachungsmonitore und ...
    ... schaltete den Fernseher an.
    
    Boston Legal
    
    wollte sie auf keinen Fall verpassen. Die nächste Runde um Mitternacht würde sie um ein paar Minuten verschieben müssen, aber Papier ist geduldig, Hauptsache das Dienstprotokoll ist perfekt geführt. Entspannt lehnte sie sich in ihrem Bürosessel zurück.
    
    Mit dem abrupten Ende der Fernsehserie, der Abspann wurde wie immer von Werbeblock einfach abgewürgt, griff sie nach ihrem Schlüsselbund und schnappte sich den Schlagstock. Zwei Etagen im Sicherheitstrakt! 56 Zellen, immer 14 auf jeder Gangseite, auf zwei langen Fluren. Hier saßen die besonders harten Jungs, alle mindestens 15 Jahre oder länger. Einige würden das Haus nur mit den Füßen voran wieder verlassen können.
    
    Leise vor sich hin pfeifend, schlich sie barfuss über den Gang. Sie spürte, wie sich langsam wohlige Wärme in ihrem Körper ausbreitete. Vorfreude, ungeduldige Erwartung des Unkalkulierbaren! Die Hände wurden feucht und zitterten leicht. Hatten die Männer das Geräusch des Schlüssels überhaupt gehört?
    
    Der Schlagstock kratzte über die Wand. An jeder Tür ploppte er leicht an das Metall beschlagene Holz. In ihrem Bauch begann es zu kribbeln. So war das jedes Mal, wenn sie sich auf dieses Abenteuer eingelassen hatte.
    
    Sie kam gerade um die Ecke und konnte die große Gittertüre schon wieder sehen, da drehte sich in den sorgfältig gefetteten Angeln geräuschlos eine der Zellentüren - Nr. 33!
    
    Ein harter Griff von hinten um ihren Mund, der Arm mir dem Schlagstock wurde ...
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