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    Datum: 05.05.2024, Kategorien: Romantisch Autor: postpartem

    ... Solo?", fragte mich Lippe, der als einziger noch stand, alle anderen waren bereits in Bewegung, um sich abzusetzen. Inklusive ihr. Sie kam direkt auf mich zu. Es war völlig sinnlos, es ihm zu zeigen, aber ich konnte ihre Nähe nicht ertragen und floh zu ihm hin.
    
    Was war das? Ich nahm sie nicht als Frau war, sie war etwas anderes. Fleisch gewordene Versuchung. Musik. Musik hatte sich einen Körper geschaffen, um mich nicht nur in Versuchung zu führen, sondern mich mit einem einfachen "Bitte" zu besiegen und mich wieder in sich hineinzuziehen. Völlig weggetreten nahm ich erneut die Gitarre.
    
    Er hatte die Notenblätter vorgeholt.
    
    "Ich hab das ja auch gehört, aber das kann doch gar nicht gehen. Hast du das mit mehreren Fingern gespielt?"
    
    "Ja, dreien. Der Anfang ist Standard, nur mit einem, das kannst du mit dem Plektron auch. So."
    
    Und spielte ihm die Einleitung vor. Die langsam genug war, um mich noch nicht in Schwierigkeiten zu bringen. Seine Gitarre sang recht angenehm, also der Ton stand satt und weich nach dem Anschlag. Ich übertrieb die Bewegungen, so dass er genau nachvollziehen konnte, was ich wann einsetzte, um den eigentlich nicht ungewöhnlichen Lauf mit eigenwilligen Akzenten zu versehen.
    
    Er nickte, und spielte es nah genug für einen ersten Versuch nach. Ich grinste ihn freundlich an. Das ging doch.
    
    "Und dann?"
    
    "Boah. Weiß nicht, ob ich das spielen kann, ich hab überhaupt keine Kraft in der Kralle und die nächste Sequenz ist auch schon für die Linke ...
    ... harsch."
    
    Na ja, es reichte ja, wenn er verstand, dass da einiges mehr hinter stand. Ich brauchte drei Versuche, bis ich die nächsten vier Takte einigermaßen so wieder hinbekam, wie sie klingen mussten. Mir taten schon die Finger weh. Keine schützende Hornhaut. Das rächte sich sofort.
    
    "Alter, du bist ja voll pervers. So kann man doch nicht Gitarre spielen."
    
    Wie hatte ich Sprüche wie diesen vermisst. Er scheiterte schon an den Fingersätzen für die linke Hand.
    
    "Lass doch. Mach es deins. Nimm die alte Einleitung und improvisier danach, finde deine eigene Lösung."
    
    Er nickte.
    
    "Okay. Ja, hast Recht. Bevor ich mir meine Finger verknote. Irgendwann musst du mir deine Technik mal zeigen."
    
    Wir gingen gemeinsam zum Rest der Band. Carol saß auf meinem Sessel und rutschte auffordernd zur Seite, machte mir nicht nur Platz, sondern klar, wo mein Platz jetzt war. Es war eigenartig, ich war von mir selbst total distanziert, nahm mich in Handlung wahr, aber war mir überhaupt zugehörig. Ein reiner Beobachter meiner selbst.
    
    Fühlte ihren Körper an meinem. Eine Verbundenheit, völlige Selbstverständlichkeit. Überhaupt nichts Sexuelles. So wie Geschwister. Was stellte sie mit mir an? Sah mich lange nur an. Mit diesen völlig irren, abgrundtiefen Augen, die mich vermutlich noch im Schlaf verfolgen würden.
    
    "Danke", sagte sie schlicht.
    
    "Du bist unglaublich", sprudelte mein wirkliches Empfinden aus mir heraus, bevor ich es erkennen und zensieren konnte.
    
    Ein feines Lächeln ...
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