1. Sterne


    Datum: 05.05.2024, Kategorien: Romantisch Autor: postpartem

    ... zierlichen Rahmen perfekt passten.
    
    "Das hier. Ich bin mir nicht sicher, ob ich den Text verstehe. Die Worte natürlich schon, aber nicht, was du damit sagen willst."
    
    Ich rückte näher an sie heran, damit ich mit auf das Notenblatt schauen konnte. Das wunderte mich nicht. Der Text war völlig schwachsinnig. Nicht alles, was ich zu der Zeit geschrieben hatte, war gut, oder tief, oder bedeutsam. Ich gestand ihr das schnell ein.
    
    "Dann können wir ja umbauen. Was hast du gefühlt, was wolltest du sagen?"
    
    "Nun... Ganz sicher bin ich mir nicht mehr. Es ist verdammt lange her. Übrigens, wir können auch Englisch sprechen, wenn dir das lieber ist. Daran erinnere ich mich noch sehr gut."
    
    "Nein. Ich will Deutsch beherrschen. Ich bin noch eine Weile hier."
    
    "Bis dein Mutterschiff dich wieder abholt?"
    
    Diesmal verzog sie keine Miene.
    
    "Jeder findet, dass ich seltsam bin. Daran habe ich mich gewöhnt. Das liegt daran, dass mich niemand kennt."
    
    "Lerne ich dich kennen?"
    
    "Ja. Du und niemand sonst."
    
    Eine Auszeichnung, die mich glücklich machte. Selig machte. Und irgendwie auch Angst hervorrief.
    
    "Mir gefällt die Melodie. Wenn du willst, geben wir dem Lied eine neue Bedeutung, einen neuen Inhalt."
    
    "Ja, vielleicht lässt es sich retten. Hast du eine Idee?"
    
    "Vielleicht, wie du mich wahrnimmst? Uns?"
    
    Sie betrachtete mich aufmerksam, als ich nicht gleich antwortete.
    
    "Das hast du schon in ein anderes Stück gepackt. Du hast einen neuen Song", stellte sie als ...
    ... Faktum in den Raum. Woher konnte sie das wissen?
    
    "Ja, ich habe einen neuen Song. Woher weißt du das?", gab ich mit einem gewissen Unbehagen zurück. "Woher kennst du mich so gut?"
    
    "Auch das bleibt ein Geheimnis. Spiel ihn für mich."
    
    "Wollen wir nicht erst mit dem hier weitermachen? Er ist noch nicht völlig fertig. Meine Hand will nicht so, wie ich will. Es fehlt noch was."
    
    Keine Regung. Stumme Erwartung. Ich seufzte, schaltete den Verstärker an und kam mit meiner Gitarre zurück. Stellte sie zunächst ab, um dann die Notenblätter von meinem Schreibtisch zu holen. Auswendig kannte ich den Text zwar schon, aber das Ausmaß der Nervosität, die mich in diesen Momenten schüttelte, ließ es sicherer erscheinen, alle erdenklichen Hilfen einzusetzen.
    
    "Ehm... okay, der Song heißt: "Be that way". Meine Stimme... nun, ich hoffe, die Melodie lässt sich trotzdem erahnen."
    
    Sie zog einfach den Score zu sich heran.
    
    "Spiel. Ich singe."
    
    Verblüfft starrte ich sie noch ein paar Sekunden an. Ich war nicht an Vollblutmusiker gewöhnt, die ein völlig unbekanntes Stück einfach vom Blatt spielen oder singen konnten. Ich würde mich gerne daran gewöhnen. Das ersparte mir zumindest hier so einige Peinlichkeiten.
    
    Okay. Dann los. Ich spielte den ersten Akkord, um sofort abzubrechen, aufzustehen und den richtigen Sound am Effektgerät einzustellen. Kurzes Testen - ja, so sollte es klingen. Sie sah nicht einmal auf die Noten. Sah nur mich an.
    
    Erst als ich die ersten Takte angespielt hatte, ...
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