1. Zwei Einbrecherinnen ausgeliefert


    Datum: 07.10.2019, Kategorien: Schamsituation Autor: PeterDietrich34

    ... genau, dass du kommst.“
    
    „Pschhht, beruhige dich“, flüsterte Anne. „Es wird alles gut.“ Sie strich die hellblonden Haare aus Maries verheultem Gesicht. Körpergröße und Haarfarbe von Mutter und Tochter waren identisch. Annes Haare waren schulterlang, während Marie einen Kurzhaarschnitt trug. Die Mutter war die Zierlichere von den beiden, Marie hatte eine sportlichere Statur und die größeren Brüste.
    
    Anne dachte an ihren Ehemann, der vor einem halben Jahr mit einer Blondine namens Isabel Kiely durchgebrannt war, der Community Managerin von Textbroker. Der stämmige Jan hätte die Einbrecherinnen gewiss schnell erledigt. Aber nun waren Marie und sie alleine. Erst jetzt bemerkte sie die Messer in den Händen der Eindringlinge.
    
    „Was wollt ihr?“, rief die Mittdreißigerin, die ihre Tochter weiter in den Armen hielt. „Wir haben hier kein Geld. Verschwindet!“ Die Einbrecherinnen lachten.
    
    „Du bist eine schlechte Lügnerin“, sagte die mit der dunkleren Stimme. „Deinen Tresor haben wir schon ausgeräumt. Marie hat uns netterweise den Schlüssel gegeben.“
    
    „Aber 10.000 Euro sind tatsächlich nicht so viel“, meinte ihre Komplizin. Anne schluckte.
    
    „Weißt du, warum wir hier sind? Kennst du eine Annika Fischer?“, fragte die Erste.
    
    „Nein“, antwortete Anne sofort. „Nie gehört!“
    
    Mit einem Male lief die Frau mit der dunklen Stimme auf Anne zu und packte sie am Kragen.
    
    „Auu“, jammerte die Geschäftsfrau, mehr aus Schreck als vor Schmerz. Marie fing an zu weinen.
    
    „Deine Lügen ...
    ... sind nicht nur schlecht, sondern auch dreist“, fauchte die Einbrecherin. „Annika war deine Personalreferentin, die du unterdrückt und ausgebeutet hast!“
    
    Sie stieß ein verächtliches Schnauben aus und nahm Anne ins Visier.
    
    „Sie hat 18 Stunden am Tag für dich geschuftet, und nie war dir ihre Arbeit gut genug. Vor lauter Druck hat sie angefangen, Tabletten zu nehmen. Sie ist davon abhängig geworden.“
    
    Natürlich wusste Anne, wer Annika Fischer war. Mit leerem Blick hielt sich die Geschäftsfrau am tränengeschüttelten Körper ihrer Tochter fest.
    
    „Vor zwei Jahren kam Annika in eine Entzugsklinik. Als sie ihre Abhängigkeit endlich überwunden hatte, hast du ihr einfach gekündigt. Das war echt das Allerletzte! Annika ist wieder rückfällig geworden. Vor einem Monat ist sie an einer Überdosis gestorben.“
    
    Eisige Stille stand im Raum. Anne bekam nicht einmal ein gequältes „Es tut mir leid“ heraus.
    
    „Annika war meine Schwester!“, schrie die Einbrecherin und riss sich die Skimaske herunter.
    
    Anne zuckte zusammen. Sie starrte in das Ebenbild von Annika Fischer. Es mussten Zwillingsschwestern gewesen sein. Mit ihren dunkelbraunen Augen und den rotblonden, glatten Haaren glich sie Annes ehemaliger Personalreferentin wie ein Ei dem andern. Die Geschäftsfrau hatte von Annikas Tod mitbekommen: Ihre Empfangsdame hatte die Todesanzeige in der Zeitung gelesen und Anne darauf aufmerksam gemacht, was diese mit Gleichgültigkeit zur Kenntnis genommen hatte. Nun begannen ihre Gedanken zu ...
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