1. Samiras Großmutter


    Datum: 17.01.2020, Kategorien: 1 auf 1, Autor: Kastor Aldebaran

    ... darauf stand eine große Kristallkugel und davor lagen diverse Stapel mit Karten.
    
    Ich hatte also eine Wahrsagerin vor mir, wobei das in die Umgebung passte. Genau genommen sah sie auch so aus. Sie trug einen langen, bunten Rock, der bis zum Boden reichte. Allerdings zog er sich beim hinsetzten etwas hoch und man konnte höhere Schnürschuhe erkennen. Dazu trug sie eine dunklere Bluse und diverse goldene Armreifen, die leise klirrten, als sie sich hinsetzte und die Arme auf den Tisch aufstützte.
    
    Sie schaute Samira und mich nacheinander an und forderte uns alleine mit diesem Blick dazu auf, uns zu setzten.
    
    Ich setzte mich und konnte mir ein leichtes Grinsen nicht verkneifen. Humbug, nichts als Augenwischerei. Hier trafen alles Klischees aufeinander, die man sich vorstellen konnte. Die Umgebung, die Kugel, die Karten. Alles vorhanden. Fehlte nur noch ein Schädel mit einer Kerze darauf, dann wäre es vollständig gewesen.
    
    Nicht dazu passte, dass es hier relativ hell war. Es hätte schwummriger sein müssen. Wahrscheinlich hatte sie nur vergessen die Vorhänge vorzuziehen, die man an den Fenstern erkennen konnte.
    
    Wir saßen uns einen Moment gegenüber, während die Frau mich aufmerksam musterte. Dabei hatte ich wie bei Samira den Eindruck, als wenn sie mich scannte.
    
    Ich wollte die Situation für mich erträglicher machen. Die vorhandene Spannung ging mir etwas auf die Nerven und ich wollte diesem albernen Spiel ein Ende bereiten. Ich hatte nicht gewusst, dass ich in ein ...
    ... solches Spiel mit eingebunden werden sollte. Hätte noch gefehlt, dass sie mir eine Rechnung dafür in die Hand gedrückt hätte. Vielleicht auch vorher noch etwas Handlesen. Wer wusste das schon.
    
    "Gute Frau!", begann ich, während sie mich weiterhin anstarrte, "Ich glaube, hier liegt ein Missverständnis vor. Ich will kein Horoskop und keine Aussicht auf mein weiteres Leben. Ihre Tochter hat mich gefragt, ob sie mich sehen könnten und ich bin mitgekommen. Bitte hören sie damit auf, mich zu veralbern!"
    
    Die Frau sagte nichts, sah mich noch eine ganze Weile lang an, bis es mir zu bunt wurde. Ich stand auf und wollte gerade gehen, als sie mit schneidender Stimme meinte: "Stopp, wieder hinsetzten. Wir sind noch nicht fertig!"
    
    Seltsamerweise klang es nicht nur wie ein Befehl, sondern mein Körper reagierte darauf, ohne dass ich darauf einen Einfluss hatte. Schon saß ich wieder, konnte mich nicht mehr rühren, auch wenn mein Gehirn etwas ganz andere wollte. Wieder aufstehen war nicht möglich.
    
    Ihr Blick wurde noch eindringlicher und ich glaubte zu sehen, wie ihre Augen immer größer wurden. Groß wie Teller blickten sie mich an und gruben sich in die meinen. Dabei hatte ich den Eindruck, als wenn ich die Gedanken von jemandem anderen hören konnte, verstand sie aber nicht. Es war eher wie ein Wispern, ein leises Raunen.
    
    Ohne Übergang verschwand dieser Eindruck wieder. Als wenn nichts gewesen wäre, saß sie vor mir und atmete etwas schneller und tiefer als zuvor, als wenn sie sich sehr ...
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