1. Sonntag Abend, die 3. Woche


    Datum: 19.04.2019, Kategorien: CMNF Autor: Anonym

    ... ausziehen."
    
    Ups! Da war es mir rausgerutscht. Jochen Steiner, der Mann der Schulfreundin meiner Frau schaute mich erstaunt an. Simone, seine Frau, war zu sehr in das Gespräch mit meiner Frau Inge vertieft als dass ihr etwas an meiner Wortwahl hätte auffallen können. Trotzdem drohte der gemütliche Sonntag Nachmittag eine gefährliche Wendung zu nehmen. Jochen ist ein sehr cleverer Kopf und äußerst aufmerksamer Beobachter. Seine Position als Personalberater, neuhochdeutsch auch Headhunter genannt, hält seine Sinne für Zwischentöne stets in Bereitschaft. Und außerdem kennen er und ich uns jetzt schon seit fast 20 Jahren. Es wäre vollkommen sinnlos gewesen, in dieser Situation einen Versprecher zu heucheln oder eine wilde Geschichte zu spinnen. Das hätte er ohnehin sofort durchschaut. Und Nachbohren gehört wirklich zu seinen besonderen Stärken, wie ich schon des Öfteren miterlebt hatte. Es entstand eine kurze betretene Stille in der Susanne, Jochen und ich uns nur fragend anschauten und nicht so recht wussten was wir aus der Situation nun machen sollten. Ich glaube in Jochens Kopf ratterten bereits die Zahnräder und mit jeder Millisekunde die verging, wurde das Bild vor seinem geistigen Auge klarer. Natürlich wusste er keine Details, aber das verlegene Schweigen von Susanne und mir schien ihm genug Nahrung für seine Folgerungen zu liefern. Nun bemerkte auch Simone dass irgend etwas los war, meine Frau hatte mit einem Ohr mitbekommen was ich gesagt hatte und konnte sich ohnehin ...
    ... nicht mehr auf die Ausführungen ihrer Freundin konzentrieren. Fünf Augenpaare schauten etwas hilflos von einem zum anderen und es war zum ersten mal an diesem Nachmittag wirklich totenstill in unserem Wohnzimmer.
    
    Der schöne Plan für diesen Abend war damit erst mal geschmissen und auf die Schnelle auch nicht mehr zu retten. Ich brauchte nicht lange zu überlegen um mich einer meiner wichtigsten Lebensregeln zu erinnern. Mit der Wahrheit kommt man meistens noch am besten durch, auch wenn das punktuell schon etwas schmerzhaft sein kann. Und so brach ich die Stille indem ich Susanne direkt anschaute und einfach fragte "Soll ich es erzählen? Wenn Du es nicht möchtest dann müssen wir Jochen und Simone halt dumm nach Hause schicken." Unsere Tochter erkannte aber genau wie ich, dass die Situation jetzt erst richtig peinlich und zerfahren geworden wäre, wenn sie auf eine totale Nachrichtensperre bestanden hätte. Und so begann ich in ruhigen Worten die ganze Geschichte zu erzählen. Ich achtete dabei darauf dass Susanne stets als die Mutige und Erwachsene zum Ausdruck kam und sich nie als kleines Kind vorgeführt vorkam. Mit der Zeit mischte sich Susanne sogar gelegentlich in meine Erzählungen ein und betonte zum Beispiel noch einmal voller Begeisterung, dass es auf dem Waldweg am ersten Abend so "arschkalt" gewesen sein als sie nackt unter dem Wintermantel mit hochgehaltenem Mantelrücken vor uns her gelaufen war.
    
    Die interessierten und total entspannten Minen von Jochen und Simone ...
«12...567...12»