1. Die Ratte


    Datum: 08.10.2022, Kategorien: CMNF Autor: Anonym

    ... „Schlafraum“. Da! Schon wieder!
    
    „Fiiiip. Fiiiip! Igg, igg, igg, eck, eck“ Aus dem Mittelloch eines aufgrollten Seiles neben der kleinen Tür blickte mich ein Wesen mit langer spitzer Nase, seitlichen langen Barthaaren und kleinen Kulleraugen an. Eine Ratte.
    
    Ich hatte keine Angst vor Ratten, weil ich schon öfter mit welchen zu tun hatte und weil ja auch die Hannah, die Schwester vom Xaver aus unserer Gang eine dressierte zahme Ratte hatte.
    
    Ich wusste auch, dass Ratten ziemlich schlau und gewitzt sind, wenn sie sich an uns Menschen gewöhnt haben. Manche können aber auch sehr bösartig sein, und springen dich gleich an, beißen dich mitten ins Gesicht.
    
    Diese hier tat es nicht. Plötzlich war sie weg wie der Blitz und es kratzte draußen an der Tür. Aha, sie hat ein eigenes Schlupfloch in der Wand. Ja klar, wie käme sie denn sonst hier herein? Ich öffnete die Tür und sah, dass sie aufgerichtet zwei Meter weit weg von mir im Gang saß und mich anschaute. Dann fiepte sie und lief wieder ein Stück weiter. Auf einmal sah ich sie vor einem in die Wand eingelassenen Schrank sitzen.
    
    Sie schaute immer abwechseln auf mich und hoch zu dem Schrank. Jetzt verstand ich.
    
    „Aha, du willst mich wohl zu Essen einladen, du kleiner Schlaumeier und dich selber auch? Na du bist mir schon Eine.“
    
    Durch die Glastür des Schrankes konnte ich die darin in Fächern gestapelten, metallisch blinkenden Konservendosen erkennen. Hatte ich auf einmal einen Hunger!
    
    Die Büchsen hatten einen Ring ...
    ... mit einer Lasche, womit man sie gut aufmachen konnte. Für die Ratte nahm ich aus dem Schrank eine kleine Büchse Mortadella und für mich nahm ich eine große mit Pfirsichen im eigenen Saft.
    
    Als ich wieder auf meiner Lagerstatt genüsslich die Pfirsiche aus der Dose fischte und den Saft dazu trank war es schon ziemlich dunkel draußen. Da fühlte ich auf einmal, wie das Boot schwankte und hörte ein Schloss klappern und eine junge männliche Stimme, die rief: „Pfeifchen? Komm Pfeifchen, es gibt gleich was zu futtern. Wo bist du denn? Komm schon und sei nicht böse mit mir. Ich hab wirklich nicht früher weg kommen können. Es war doch Regatta-Besprechung und Auslosung der Startplätze.“
    
    Ich erschrak heftig, stellte meine Dose ganz leise in eine Seilrolle und drückte mich eng an die schräge Bordwand hinter der Tür. Mucksmäuschenstill war ich.
    
    „Fiiiip. Fiiiip! Igg, igg, igg, eck, eck! “
    
    „Ach du dummes undankbares Viech! Bist du etwa das „Pfeifchen“? sei doch still!“ flüsterte ich der Ratte zu. Aber Pfeifchen fiepte lustig und freudig weiter. Die Tür schlug auf und traf mein Knie. Ich blieb ganz still, wagte kaum zu atmen.
    
    Denkste.
    
    Der Strahl einer Taschenlampe fand die Ratte, die Ratte lief zu mir und das Licht der Lampe fiel auf meine schmutzigen Füße.
    
    Alles ging ganz schnell.
    
    Ich schlug die Taschenlampe aus der Hand, die sie gehalten hatte, und es wurde stockfinster. Dann entspann sich ein wilder Kampf im Dunklen. Mein Gegner, offenbar ein junger Mann, schleuderte ...
«1234...7»