Fluchtverhalten
Datum: 14.10.2022,
Kategorien:
Romantisch
Autor: Dingo666
... unvermuteter Kraft. Halb überrumpelt ließ Sascha sich in die fremde Wohnung ziehen.
Die schlanke Gestalt neben ihm schloss das Glas rasch wieder und strich die Vorhänge sorgfältig glatt. Sie verharrte für einen Moment steif aufgerichtet. Dann drehte sie sich um.
Im Halbdunkel einer kleinen Leselampe in der gegenüberliegenden Ecke des großen Wohnzimmers erkannte Sascha das Mädchen. Sie sah ihn mit offenem Mund an, wie eingespannt zwischen Neugier und Beklommenheit. Ihm wurde klar, dass er ein sehr ähnliches Bild bieten musste.
"Sie haben ihre Kerze verloren!", sagte er den Eröffnungssatz auf, an dem er den ganzen Nachmittag sorgfältig gefeilt hatte. Das sollte mindestens so cool klingen wie ein Einzeiler von Daniel Craig. Er fischte den fraglichen Gegenstand aus seiner Tasche und hielt ihm dem Mädchen hin. An einer Seite war der grüne Wachsüberzug vom Aufprall auf den Steinen unten völlig zerschrammt.
Sie starrte ihn an, dann auf das grüne Ding. Ein Lächeln trat auf ihre Lippen, wurde zum Grinsen. Der Raum hellte sich um mehrere Grad auf.
"Danke vielmals!"
Sie nahm die Kerze wie ein Staatsgeschenk entgegen und kicherte.
"Sascha Wagner", stellte Sascha sich vor und streckte die Hand aus.
Das Mädchen ergriff sie und feixte erneut. Anscheinend hielt sie die Begrüßung für eine pompöse Erweiterung der kleinen Stegreif-Komödie, die er da aufführte.
"Sophie Margareta Rohmann", meinte sie und machte sogar einen Knicks. Sascha nickte. Sophie war unter den ...
... Möglichkeiten gewesen, die er sich zu ihrem Initial "S.". schon vorgestellt hatte.
Das geheimnisvolle Wesen war Mitte zwanzig, schätzte er. Aus der Nähe wirkte sie erwachsener als quer über den Hof. Sie hatte die langen, glatt gekämmten Haare mit silbernen Spangen zurückgesteckt und betrachtete ihn aus dunklen Augen. Die genaue Farbe war nicht zu erkennen. Eine schlichte Bluse in Weiß und eine schwarze, enganliegende Hose verrieten Geschmack und Geld. Von beidem besaß er selbst gerade genug, um ein gehäuftes Vorkommen bei anderen Leuten zu bemerken und zu bewundern. Oder zu beneiden, je nachdem.
Sophie machte den Mund auf, da meldete sich ein Telefon mit melodischer Tonfolge. Sie wurde aschfahl und packte ihn an den Oberarmen.
"Um Gottes Willen, kein Wort! Er darf nicht wissen, dass sie hier sind!"
Sascha nickte mechanisch und empfand sich wie ein Schauspieler auf einer fremden Bühne. Warum nur saß er jetzt nicht bequem vor seinem Fernseher? Sein Herz wummerte in der Brust.
Das Mädchen stakste zum Apparat, atmete tief durch, und nahm den Hörer auf. Den Rücken hielt sie wie einen Schutzschild in seine Richtung.
"Hallo? Ach, Paps! Ja. Ja, alles klar. Nein, ich brauche nichts. Nein. Ich lese ein bisschen. Ja... ja... aha? Ok. Ja, gut. Bis morgen. Tschüss Paps!"
Ein Klicken. Langsam ließ sie das Sprechteil sinken und dachte nach.
"Bernard kommt erst tief in der Nacht zurück", meinte sie. "Wir sind also noch ein paar Stunden ungestört."
"Was ist hier los, ...