1. Kätzchen


    Datum: 23.07.2019, Kategorien: Medien, Autor: NicoS

    "Lassen Sie mich durch! Ich bin die Tochter des Direktors," stieß die junge Frau hervor, die sich durch die Menge der Schaulustigen drängte. Ihre Stimme war nicht sehr laut ... übertönte kaum das erregte Gemurmel ... doch wer sie hörte, wich bereitwillig aus ... rascher, als man es sonst in ähnlichen Situationen erlebte.
    
    Es war jedoch nicht der spontane Wunsch zu verständiger Hilfsbereitschaft, der die Menschen Platz machen ließ. Mit aufgerissenen Augen und staunender Verwunderung blickten sie auf die so ganz und gar unerwartete und unerhörte Erscheinung, die viele sogar von dem dramatischen Geschehen im Inneren des Käfigs ablenkte. Die junge Frau war schlank, von mittlerer Größe, mit langen, glatten, dunkelblonden Haaren, und sie strahlte eine konzentrierte, ruhige Selbstverständlichkeit aus, die einen nachdenklichen Beobachter schnell darauf gebracht hätte, dass sie wusste, was sie da tat. Nur an dem Wie hätte selbst der intelligenteste Zeuge zu beißen gehabt.
    
    Denn die Direktorentochter war vollständig nackt. Sie trug keinen Faden Stoff an ihrem Körper ... den manche einseitigen Kritiker sicher als mager und reizlos bezeichnet hätten. Gewiss, ihre Schultern wirkten etwas eckig, bei manchen Bewegungen sah man ein paar Rippen, die schmale Taille mündete in erkennbare Beckenknochen einer nicht sehr breiten Hüfte, und die Brüste hielten sich flach an jenes Format, das nie einen Büstenhalter spüren würde. Insgesamt erschien sie jedoch wohlproportioniert ... eher ...
    ... sportlich als dünn ... und so bewegte sie sich auch: ruhig und mit der Körpersprache einer trainierten Sportlerin.
    
    Rasch erreichte sie die Barriere, die den Besucherbereich von dem Durchgang vor dem Käfig trennte. Sie öffnete die von einem Riegel gesicherte Schranke ... vergaß auch nicht, sie hinter sich wieder zu schließen ... und danach die Türe, die seitlich des Käfigs zu den Wartungsräumen führte. Sie schlüpfte hinein und zog die schmale Türe hinter sich zu.
    
    Nun kannte die Sensationslust der Besucher keine Grenzen mehr. Grusel, Spannung und eine gehörige Portion Voyeurismus ließen sie dichter als zuvor an die Absperrung drängen. Und sie wurden nicht enttäuscht. Im Evaskostüm betrat die junge Frau den Käfig ... blieb zunächst ruhig unter dem Eingang stehen, offenbar um abzuwarten, wie die große Katze auf ihr Eindringen reagierte.
    
    Im ersten Moment geschah gar nichts. Das Tier hatte den Wärter in der hintersten Ecke des Käfigraums förmlich festgenagelt und verhinderte jeden Versuch, seitlich auszuweichen, mit einem unheilverkündenden Knurren. Der Wärter selbst stand flach an die Wand gepresst, mit Panik in den Augen, hastig atmend, und hielt sich den blutenden Arm. Die Katze hatte die neu Hinzugekommene sicher bemerkt, doch sie schien den Wärter für das eindeutig interessantere Ziel zu halten ... wie eine Hauskatze, die nicht so leicht vom Spiel mit einer lebenden Maus abließ, nur weil ihr Dosenöffner mahnende Worte an sie richtete. Tatsächlich begann die junge Frau, ruhig ...
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