1. Grit betritt die Bühne, nackt


    Datum: 11.02.2024, Kategorien: Kunst, Autor: Anonym

    ... regnet. Es ist mir ziemlich peinlich, und ich möchte gerne die Beine wieder schließen, aber dann denke ich an meine Mission: Ablenken. Wegen meines noch hoch gestellten linken Beines ist aber Mike und Holger die Sicht genommen. Sie wollen gerade mit ihren Stühlen um das Podest herum auf die andere Seite wechseln. Gefahr! Schnell lege ich jetzt auch noch den linken Oberschenkel flach.
    
    Das Ergebnis: Mösenspagat. Ich liege auf der Matratze, wie ein nackter Frosch auf dem Seziertisch. Mit völlig offener Musch. Jetzt hätte ich gerne Haifischzähne darin. Und einen Kastenkobold mit Sprungfeder, der jedem ins Gesicht springt, der da zu dicht rangeht. Grit, beeile dich! Das ist ja so peinlich! Ich werde heute schon zum dritten Mal knallrot. Andreas hat die nackte Grit längst mitgekriegt und meine „Mission“ kapiert. Er grinst mich schadenfroh an, als wolle er sagen: „Da hast du deine Freiheit Jonny, selber schuld“, aber er sagt nichts.
    
    Holger schießt dann noch zwischenzeitlich den Vogel ab, der olle Taubenklugscheißer:
    
    „Das ist jetzt fast so, wie bei Leonardo da Vinci. Der hat auch so Menschen gezeichnet und untersucht. Aber das waren dann die Leichen von verurteilten und hingerichteten Verbrechern.“ Na danke, Holger! Jetzt bin ich schon ne Leiche? Da bin ich also letztendlich doch noch auf dem Schafott gelandet. Das hätte damals als Strafe für die Anna Boleyn auch gereicht, sie hätten ihr nicht gleich den Kopf abhacken müssen. Wahrscheinlich hätte sie sich danach schon von ...
    ... selber in die Themse gestürzt. In diese Kloake? Nein. Dann schon lieber Kopf ab.
    
    Was macht die verdammte Grit?
    
    Grit steht immer noch hinten an der Dachschräge. Das Kleid hat sie längst ausgezogen. Die hat ja eine Figur wie eine gebräunte ägyptische Elfenbeinstatue. Zu den Monstertrauben gesellen sich noch herrlich geschwungene Hüften, lange schlanke makellose Beine und eine Taille, die ein Mann fast mit zwei Händen umfassen könnte. Ihr halblanges schwarzes Blauhaar ist frisch zur Pagenfrisur gekämmt. Genau, wie bei einer ägyptischen Tempelgöttin, wie man sie von Bildern kennt.
    
    Nun komm doch schon! Befreie mich doch endlich aus dieser blöden Lage. Aber die Grit steht da, als müsse sie mal ganz dringend und die Toilette ist gerade besetzt. Sie tritt von einem Fuß auf den anderen, hält sich krampfhaft die Hände vor den Unterleib und starrt ganz ängstlich auf mich, die ich wie eine nackte gerupfte Weihnachtsgans auf der Platte liege und darauf zu warten scheine, dass ich endlich gefüllt, zugenäht und dann gebraten werde. Sie hat Angst. Sie hat Angst davor, dass sie sich gleich genauso wie ich zum Frosch machen muss. Das nennt man dann wohl: Teufelskreis. Ich liege hier nur deshalb auf der Matte wie eine aufgeschnittene nackte Labormaus, damit sie sich traut, zum Podest zu kommen, und sie traut sich nicht zum Podest zu kommen, weil ich hier wie eine nackte sezierte Labormaus liege. Was jetzt? Unser Plan ist gründlich schief gegangen. Das ist das Ende.
    
    Aber nein. Da gibt ...
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