1. Ex Libris 01 oder 'Dieser Papagei ist tot'


    Datum: 26.07.2024, Kategorien: Sonstige, Autor: Iron_Duke

    ... Bei dem Gedanken lief es mir kalt den Rücken herunter. 'Nein danke! Dann lieber noch ein paar Seiten Kräuterkunde!'
    
    Ein paar Wochen sind vergangen. Ich war eigentlich nur noch in der Bibliothek. Kiste um Kiste wurde geleert, Buch um Buch gestempelt, eingebunden, katalogisiert, beschriftet und ins richtige Regal gestellt. Der Homerun eines Hilfsbibliothekars. Wenn ich Dr. Winter begegnete, strahlte er über ganze Gesicht. Wahrscheinlich würde er mich in der Abiprüfung nach meinem Namen fragen und dann, nach richtiger Beantwortung, als bestanden abhaken.
    
    »Dieser Papagei ist tot!«
    
    »Nein ist er nicht, er schläft nur!«
    
    »Mausetot!«
    
    »Nein, sehen Sie, grad' hat er sich bewegt«
    
    »Sie haben ihn angeschubst«
    
    »Nein, habe ich nicht«
    
    »Ich hab's doch eben selber gesehen«
    
    Wenn sonst nichts ging - Monty Python ging immer. Ihre Augen blitzten, wenn sie lachte. Angelika roch nach Angelika. Angelika roch gut - nach Angelika.
    
    'Vielleicht sollte ich nicht so dicht rangehen, sonst merkt sie noch was', ging es mir durch den Kopf. 'Ich glaube, wenn sie sitzt, liegen Ihre Titten direkt auf Ihrem Bauch.' Oh je, da saß ich nun vor der 'Bedeutung des Kontrapunktischen in der Zwölftonmusik' und hatte wieder Aufstehverbot.
    
    'Wer schafft eigentlich so einen Schwachsinn für die Schulbibliothek an?', fragte ich mich. 'Leistungskurs Musik? Nee - die alte Schwalbach macht Opern bis zum Abwinken, von Zwölftonmusik hat die definitiv keinen Schimmer. Ach, hier vorn steht's auf einem ...
    ... gedruckten Etikett: EX LIBRIS Anton Achenbach.' Das war aus einem Nachlass. Eben ein Buch aus der Sammlung von Herrn Achenbach.
    
    Ich habe bis heute nicht herausgefunden, wer Anton Achenbach war oder warum jemand seine Bücher unserem Förderverein gespendet hatte. Aber ich verdanke dem ollen Anton echt viel. Dem alten Schweineigel!
    
    Draußen war es dunkel geworden. Auch die Bibliothek lag still im Dunkeln. Die beiden Arbeitslampen waren die einzigen Lichtquellen und stanzten zwei gelbe Kreise in die Dunkelheit. Angelika hatte einen Bücherstapel vor sich auf dem Tisch liegen und sagte etwas. Eilig überprüfte ich den Peinlichkeitsfaktor in meinen Jeans. Ergebnis: erektionstechnisch bedenklich, aber gerade noch akzeptabel. Ich sah hinüber zu ihr und versuchte, mich auf die Bücher auf ihrem Tisch zu konzentrieren.
    
    »Oliver, komm mal her und schau dir das an!«, sagte sie.
    
    Diese Stimmlage kannte ich noch nicht - war sie vielleicht erkältet? Neben ihr stehen ging gar nicht, besser sitzen. Also zog ich meinen Stuhl an ihren Tisch. Angelika roch nach Angelika. 'Wenn sie jetzt was merkt, ist Schluss mit lustig', dachte ich mit einem Anflug von Panik. 'Mann, ist das eng an dem kleinen Arbeitstisch. Was will sie mir eigentlich zeigen? Oliver - jetzt reiß dich mal zusammen und konzentrier dich auf das Wesentliche! Und flach atmen, ganz flach atmen.
    
    »Schau dir das an«, sagte Angelika mir rauer Stimme. Sie hielt mir ein aufgeschlagenes Exemplar des
    
    unter die Nase. Das war keine ...
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