1. Splitternackt (1)


    Datum: 13.11.2019, Kategorien: Kunst, Autor: Anonym

    ... nett komplimentiert zu werden. Welche Königin hat da mehr vom Leben? Die muss ja auch noch schwere Klunkern und Roben mit sich rumschleppen und darf nicht einmal laut pupsen oder rülpsen und fluchen, wenn ihr danach ist. Ich dagegen: ein herrliches Leben!
    
    Na ja, beim Rummachen mit den Kerlen war ich allerdings schon wählerischer, als meine Mama. Da habe ich nicht gleich einfach so jeden ran gelassen. Auf Kinder war ich nie scharf, damals. Von dem, den ich mir ausgesucht hatte, wollte ich ja schließlich auch noch die nächste Woche was haben. Etwas von der Welt erfahren, gute Bücher empfohlen kriegen und nützliche Bekanntschaften schließen. Als ich mir 1995 meinen ersten Computer kaufte, da hatte ich dem jungen Verkäufer angeboten, mich von ihm nackig in die Handhabung des Gerätes und in den Umgang mit dem Internet einweisen zu lassen. Also, ich wollte dabei nackt bleiben, damit es mich nichts kostet. Nach einer Woche wusste ich dann fast alles über Computer und er wusste mehr über die Weiber, als ihm lieb war. Der war aber auch niedlich! Ich glaube, ich habe ihn entjungfert. Tja. Und jetzt hänge ich immer öfter an diesem blöden Ding herum und leide unter Schreibdurchfall. Ist das die Rache des geschändeten und versauten Computerfachmannes? Könnte schon sein. So, genug geschwatzt, jetzt geht es los:
    
    Episode 1, Walther, der blinde Bildhauer
    
    Ich hatte schon einige private Modellsitzungen hinter mir, als ich an den blinden Bildhauer geriet. Zuerst hatte ich ja schon mal ...
    ... gestutzt, als ich ihn da mit seiner schwarzen Brille im Korridor herumtapsen sah. Ich hatte ja gedacht, er wäre Maler und da hatte es mich schon sehr gewundert. Aber er erklärte mir, dass er eine Diana-Skulptur machen wolle, so eine mit Pfeil und Bogen, die gerade den Schänder ihres heiligen Haines niederstrecken will. Die Geschichte habe ich vergessen. Ist ja auch egal, steht entweder in der Bibel oder stammt von Homer. Keine Ahnung.
    
    Er sagte, dass er alle seine Vorlagen und Modelle mit den Händen ertaste und danach dann die Figur aus Ton auf ein Geflecht aus Biegedraht kleistert. Das ist mir ja eigentlich wurscht, meinetwegen hätte er sie auch auf eine seiner Rippen pappen können. Neu war mir aber, dass er dazu mich, meinen nackten Körper mit den Händen abtasten wollte, um die Formen dann übertragen zu können. Bisher galt ja bei Modellsitzungen immer: Anfassen ist tabu. Sehen und angucken aus jeder Perspektive und in jeder gewünschten Pose, aber nix mit Angrapschen. Eigentlich wollte ich schon wieder gehen. Das war mir dann doch wohl irgendwie zu plümerant.
    
    Er aber sagte: „Bitte gehe nicht, Desiree, bleib hier. Du bist genau die Richtige, so ein Modell wie dich finde ich wahrscheinlich nie wieder.“
    
    Ich fragte: „Woran wollen Sie das denn sehen, dass gerade ich die Richtige bin? Sie sehen mich doch gar nicht, oder sind Sie etwa gar nicht blind?“
    
    „Doch, doch, Aber ich habe sofort deine Aura gespürt, dazu deine Stimme und deinen Geruch. Du bist Diana. Keine andere ...
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