1. Der Jogger vom Mainufer


    Datum: 14.01.2020, Kategorien: Schwule Autor: byDer_MainHesse

    ... ich zu unserem Treffpunkt an der U-Bahn-Haltestelle Schweizer Platz ankam, war er noch nicht da. Er kam er 10 Minuten nach mir, obwohl ich selbst nicht ganz pünktlich war. Als ich ihn kommen sah, war ich so fokussiert auf sein Aussehen, dass das gleich wieder vergessen war. Er sah ... anders aus. Es ist immer komisch, wenn man jemanden, den man nur in einem bestimmten Outfit gesehen hat, plötzlich „normal" gekleidet antrifft: Er trug schwarze Jeans, einen blauen Kapuzenpulli und eine dunkelgrüne Jacke, die er geöffnet gelassen hatte. Seinem Fuß gehe es wieder besser, aber Joggen sei leider immer noch tabu, sagte er mir bei der Begrüßung.
    
    Wir verbrachten einen schönen Abend. Dabei erfuhr ich, dass er 25 war (also glatte 6 Jahre jünger als ich), kurz vor seinem Masterabschluss in Wirtschaftsinformatik stand, in einer Dreier-WG mit einem Mann und einer Frau lebte, dass er seit ein paar Monaten wieder Single war und dass er sich das Tattoo für eine seiner früheren Flammen hatte stechen lassen, mit der er mit Anfang 20 1,5 Jahre zusammen gewesen war. Mir fiel nichts Besseres ein als: „Oh, cool! Hatte sie was mit Musik zu tun?" Daraufhin lachte er erst laut auf und tat dann auf empört: „Das ist ja typisch!" „Wieso?", fragte ich ihn ehrlich verwundert. „Da redet ein Typ von einer früheren Beziehung und alle gehen wie selbstverständlich davon aus, dass es eine Frau ist. Soviel zum Thema 'Normalität von Homosexualität'!" Ich war völlig sprachlos und versuchte dann vergeblich, aus ...
    ... der Nummer herauszukommen, bis ich aus Mangel an Alternativen die Flucht nach vorne ergriff: „Mann, ich bin doch selbst schwul!"
    
    Nach diesem Abend, der bis auf diese etwas peinliche Situation echt gechillt und lustig war, war ich mir ziemlich sicher, dass Thilo keinerlei Interesse an mir hatte. Zwei Wochen später meldete ich mich bei ihm und fragte, ob er Lust auf eine Wiederholung unseres Männerabends hätte. Er sagte zu, hatte aber erst eine Woche später Zeit. Auch das zweite Treffen lief gut, aber die Stimmung war rein freundschaftlich. Ähnlich war es auch beim dritten Treffen (diesmal Kaffeetrinken an einem Sonntagnachmittag Anfang Dezember). Ich fand ihn nach wie vor ziemlich scharf und hätte mich durchaus in ihn verlieben können, aber er bemühte sich scheinbar so sehr darum, unsere Treffen so wenig wie möglich wie Dates aussehen zu lassen, dass ich mich ebenfalls zurückhielt und auf meiner Dating-App mit verschiedenen Männern schrieb.
    
    Eine Woche nach unserem letzten Treffen schrieb mir Thilo und fragte, ob ich Lust hätte am letzten Samstag vor Weihnachten auf den Weihnachtsmarkt zu gehen. Ich zögerte erst, da ich mir den Tag eventuell für ein Date freihalten wollte, sagte ihm aber am nächsten Tag zu. So trafen wir uns an besagtem Tag um 18:30 Uhr auf dem Römer. Dort trafen wir erst zufällig Freunde von mir, dann Kommilitonen von ihm, und waren somit nicht die ganze Zeit alleine. Die Stimmung war super, wir lachten viel und mit jedem Glühwein mehr. Doch wie ich es ...
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