1. Samiras Großmutter


    Datum: 17.01.2020, Kategorien: 1 auf 1, Autor: Kastor Aldebaran

    ... konnte mich kaum noch rühren. Eine Nacht im Sessel war für mich das reinste Gift. Mein Rücken streikte und als ich aufstand, musste ich ihn erst einmal mühsam und schmerzhaft geradebiegen. Eine Prozedur, für die ich mehrere Minuten brauchte. Als ich noch jünger gewesen war, war das kein Problem gewesen. Man soff und schlief einfach auf dem Boden ein. Nächsten tat war man zwar nicht frisch, aber nach einem guten Frühstück und etwas frischer Luft ging es einigermaßen. Jetzt brauchte man nicht einmal mehr etwas zu trinken und es ging einem schlecht.
    
    Trotz allem schleppte ich mich in die Küche, machte mir eine Schnitte und aß sie im Stehen. Mich jetzt hin zu setzten war nicht mein Ding. Ich wäre nicht mehr hochgekommen. Also entschloss ich mich dazu, einen kleinen Spaziergang zu machen. Das Wetter war schön und lud dazu ein.
    
    Gesagt, getan. Zehn Minuten später stand ich draußen und ging einfach los, wohin war unwichtig. Der Weg war das Ziel.
    
    Wieso kann ich nicht sagen, aber mein Spaziergang endete am städtischen Friedhof. Aus irgendeinem Grund zog es mich immer wieder hierher. Ich genoss die Ruhe, wandelte gerne bei schönem Wetter unter den alten Bäumen des ältesten Teils dieses Totenackers. Hier standen noch die alten Grabsteine, teilweise aus Sandstein, schon verwittert und kaum noch lesbar. Soweit es ging, hatte ich mit der Zeit fast alle gelesen, denn hier stand wirklich noch etwas darauf. Die Modernen waren nur noch einfach gehalten, verrieten einem maximal den ...
    ... Namen, Geburts- und Todestag. Mehr nicht. In dem Sinne, vollkommen steril. Hier in dem älteren Teil fand man noch Individualität.
    
    Dort angekommen atmete ich einmal tief durch, konnte den Geruch von geschnittenem Gras und alter Erde in mich aufnehmen. Ein herrliches Gemisch von Gerüchen, dazu die absolute Ruhe. Nur ganz weit im Hintergrund konnte man hören, wenn ein Auto am Friedhofszaun vorbeifuhr.
    
    Weiter ging ich im Schatten dahin und sah mich um. Fast niemand war hier, nur ein Friedhofsgärtner war gerade dabei, die alten Bäume zu beschneiden. Er stand auf einer niedrigen Leiter, entfernte tote Äste und piff dabei leise ein fröhliches Lied vor sich hin. Ich blieb bei ihm stehen und sah ihm interessiert zu, denn er kümmerte sich gerade um eine Eibe, die ähnlich aussah wie die unter der Asifa und ich gesessen hatten.
    
    "Guten Tag!", sagte ich freundlich und er drehte sich zu mir um.
    
    "Ein schöner Baum!", meinte ich und er nickte, sah an dem Baum hoch.
    
    "Ja, ein wunderbares Exemplar. Man findet nicht mehr viele davon. Sie wachsen zu langsam und die Menschen haben keine Geduld mehr dazu. Mein Großvater hat immer zu mir gesagt, dass man diese Bäume nicht für sich pflanzt, sondern für seine Urenkel. Besonders wenn man deren Holz verwenden möchte. Gutes, schönes Holz, besonders für Möbel oder Langbögen, wie sie die Engländer benutzt haben! Der hier stand schon hier, als es den Friedhof in dieser Art noch nicht gab. Man hat den Friedhof sozusagen um ihn herum gebaut. Schön, ...
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