Sangius Vita Est - Eine abendliche Elegie
Datum: 01.04.2019,
Kategorien:
Kunst,
Autor: Anonym
Es dämmerte. Unten an der Talfer kreuzten sich beständig diejenigen Jogger und Fahrradfahrer, die, sei es durch berufliche oder private Gründe, den launig-warmen Tag über verhindert gewesen waren und nun, zu jener späten Stunde, ihre letzte Chance auf frische Luft beim Schopfe packten.
Die erlischende Sonne war schon vor mehr als einer halben Stunde hinter die Berge getaucht und versah deren höchste, schneebedeckte Kuppen mit einem rotlichen, fast kupferfarbenen Schimmer, der sich von Minute zu Minute abschwächte und die kleine Alpenstadt in ein zunehmendes Zwielicht tauchte, das von einem leichten, kühlen Wind begleitet wurde.
Emmanuel Caroso, der bis zu diesem Zeitpunkt an einem kleinen Holzhäuschen nahe des Siegestores gelehnt hatte, eine Zigarillo in den spröden Lippen unter seinem blonden Schnauzer, neugierig das geschäftige Treiben in dem Kreisel, den drei kreuzende Straßen hier formten, beobachtend, kehrte, sich seines dünnen Sommerjackets bewusst, seine Schritte zurück über die Brücke Richtung Altstadt.
"Welch idyllischer Abend!", dachte er sich, als er das Geländer entlangschlenderte und in das blaue Wasser starrte, das rasch und schäumend unten durch das steinigen Bett schnellte.
Die Wärme des Frühlings war an diesem Tage erstmals gekommen; ungewöhnlich früh in diesem Jahr, mit ebenso überraschender Kraft, so dass man fast von Hitze sprechen konnte.
Und so war es auch nicht weiter ungewöhlich gewesen, dass die Menschen, die Einwohner der kleinen ...
... Alpenmetropole, in Massen, fast schon ungezügelt in das Freie geströmt waren, laut, fröhlich und möglichst unbekleidet.
Auch er, der an jenem Freitag, als Beamter im Landwirtschaftsministerium, natürlich schon am Mittag in den Genuss von Freizeit gekommen war, hatte sich die Möglichkeit auf so einen verfrühten Sommernachmitttag nicht nehmen lassen und war in größter Unternehmenslust mit dem Bus an den Etschdamm gefahren; hatte sich in die Sonne gesetzt und war am Spätnachmittag wieder zurückgekehrt, um noch ein wenig durch die Stadt zu flanieren.
Aber im Laufe des Tages, vor allem als er den zahlreichen jungen Frauen näher gekommen war, die dort am Ufer, auf den Wiesen, im Bikini Ball spielten oder im Wasser plantschten, beim ersten zaghaften Versuch zu Baden, war in ihm ein Gefühl aufgekommen, eine tiefe Sehnsucht nach gewissen Dingen, denen er als lediger Mann zur Zeit - wieder einmal - so fern schien.
Was ihm jedoch vielmehr Sorgen bereitete, als seine bloße Libido, war die Tatsache, dass sich unter jenes Sehnen mit der Zeit auch eine soziale Komponente gemischt hatte.
Mit seinen nunmehr 32 Jahren begann er manchmal, in den stillen Momenten des Lebens, die er zwar entschieden mied, aber doch nie vollständig aus seinem Leben ausklammern konnte, sich einsam zu fühlen und eine gewisse Leere zu verspüren.
Und dann fiel es ihm sehr schwer sich aufzuraffen, eine Frau einfach so anzusprechen, ohne Deckung, ohne tieferen Gesprächszwang, ohne – so glaubte er zu mindest - ...