1. Weeslower Chroniken I - 1997 - Nadine - Kapitel 5 - Beim Bürgermeister


    Datum: 07.03.2021, Kategorien: Schamsituation Autor: nudin

    Weeslower Chroniken I - 1997 – Nadine -
    
    Kapitel 5 – Beim Bürgermeister
    
    Nadine war nun schon drei Tage bei Michael und hatte das Areal des Grundstücks bis hin zur Badestelle – und bis auf ihren etwas missglückten Bootsausflug – bisher noch nicht verlassen. Sie hatte an diesen drei sommerlich warmen Tagen noch kein einziges Kleidungsstück getragen - wenn man die Sicherheitsschuhe nicht dazu zählte.
    
    Ans Gefühl des Nacktseins hatte sie sich überraschend schnell gewöhnt, so sehr, dass sie oftmals ganz vergaß,
    
    dass
    
    sie es war, wenn sie in Haus, Garten oder auf dem Weg zum See so herumlief. Dass andere sie dabei so sahen, empfand sie mehr und mehr als natürlichen Zustand an. Ihr Vorbild war Michael, dem das so beneidenswert leichtfiel, und so wurde auch sie immer lockerer und freier dabei. Egal, ob es die beiden hünenhaften Polen waren, die wunderbare Agata, ihr Nachbar Karl, der ab und an mit dem Rollator den Weg entlangschlurfte und immer nett grüßte, ob Elsa oder ihre Besucher, die sie auf der Terrasse empfing, Radfahrer oder Wanderer, die vorbeikamen, der Postbote oder einmal auch ein Trupp von Arbeitern, die einen Minibagger für Drainagearbeiten auf dem Grundstück entluden: Sie alle durften sie gern so sehen. Hier in Michaels Reich fühlte sie sich unbekleidet einfach sauwohl, auch an der Badestelle, an der sie, anders als Michael es behauptet hatte, mit ihm zusammen meist die einzige Nackte blieb. FKK war jetzt ganz ihre Sache, und wofür sollte sie sich ...
    ... schämen? Für ihren jungen, durchgehend gebräunten Körper? Oder dass sie in dieser Sommeridylle gern frei und völlig unbekleidet herumlief, so angenehm glatt rasiert obendrein? Sabine Wollenhaupts Bezeichnung „Lippenbekenntnis“ kam ihr immer wieder in den Sinn, und sie fand ihn unglaublich passend.
    
    Und natürlich bestärkte es sie, dass man ihr bisher durchgehend mit absolutem Wohlwollen begegnet war, ja, dass sie an der Badestelle auf andere sogar schon ansteckend gewirkt hatte.
    
    Am Montag bot Michael ihr an, sie nach Weeslow mitzunehmen. Er wollte ihr den Ort zeigen, gleichzeitig einen Termin bei Bürgermeister Dreyer wahrnehmen, anschließend dann – endlich – den schon so häufig erwähnten Weeslower See zeigen. Nadine lief hinüber zu Elsa, die noch immer keine Gäste unterbringen konnte, und ließ sich erstmals ihre Jeans-Shorts und ihr T-Shirt zurückgeben.
    
    „Du siehst so verändert aus.“ meinte Schneider, als er sie angezogen zurückkommen sah.
    
    „Ja, ungewohnt, oder?“ Sie schaute an sich herab und drehte sich vor ihm einmal im Kreis.
    
    „Ein Kleid wäre mir irgendwie lieber.“ befand er.
    
    „Mir auch. Aber da muss ich passen.“
    
    „Du könntest Agata fragen. Vielleicht ist sie noch da.“
    
    Und so lieh sich das Mädchen bei ihrer neuen Freundin das sommerlichste Stückchen Stoff, das aufzufinden war, ein schlichtes, dünnes weißes Trägerkleidchen aus einem Leinen-Baumwollgemisch, so ungeheuer kurz, dass sich das Freundschaftsbändchen, das sie am Handgelenk trug, ständig unter dem Saum ...
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