1. Dr. Jekyll und Heidi Teil 05


    Datum: 18.09.2023, Kategorien: Romane und Kurzromane, Autor: byRomeoReloaded

    ... Offenbar hatte sie einen der Gaffer erkannt. Verdammt, das stand nicht im Drehbuch, unser Abenteuer über den Wolken brauchte Zuschauer nur als ferne Gestalten auf dem Domplatz, klein wie Ameisen, nicht als Menschen mit Gesicht und Namen.
    
    Man hätte meinen können, Heidi sei Gräfin Dracula und ich Frankensteins Monster, so starrte uns die Menge an. Was für Spanner! Ich zog noch einmal kräftig an ihrer Hand, und diesmal folgte sie mir endlich in Richtung Ausgang.
    
    Sie streifte sich die hochhackigen Schuhe von den Füßen, hakte sich bei mir unter, rannte barfuß mit mir im Schlepptau in die nächste Seitengasse, und wieder in eine und noch mal in eine andere. Dann hielt neben uns ein Linienbus, sie zog mich gerade noch hinein, da fuhr der Bus schon los. Sollten wir verfolgt worden sein, hatten wir die Spanner jetzt abgeschüttelt. Sobald der Bus an einer U-Bahn-Station hielt, stiegen wir aus und fuhren mit der Bahn endlich in die richtige Richtung, zu mir nach Hause. Wie schon im Aufzug hielt Heidi auch in der Bahn Abstand und sah mich nicht an. Okay, sie war sauer. Okay, vielleicht hätte ich ihr vorher sagen sollen, dass ich die Verlobung mit dem Finale ihrer Erziehung verbinden wollte. Aber es sollte doch eine Überraschung sein! Alles! Der Dom, der Turm, der Ring, die Perlenkette, die weißen Handschellen, die heißeste Verlobung der Weltgeschichte, einfach alles!
    
    Ich verstand immer noch nicht, was wirklich in ihr vorging. Dass sie mit zu mir kam, beruhigte mich ein wenig. ...
    ... Wir würden uns nachher aussprechen, sobald ich meine Videokonferenz hinter mich gebracht hatte.
    
    Die ganze Bahnfahrt über schwiegen wir. Auch auf dem Weg von der U-Bahn zu mir. Erst in der Wohnung unternahm ich einen neuen Anlauf.
    
    „Lass uns darüber reden, ja?"
    
    „Geh arbeiten", beschied sie mir unwirsch und schob mich in Richtung Arbeitszimmer.
    
    Grübelnd saß ich in der Konferenz, wirkte fahrig und unkonzentriert. Eben noch hatte ich mich gefühlt wie der König der Stadt, wie ein gefallener Engel, der in den Himmel zurückkehrt, um dort grenzenlose Lust und Leidenschaft in das Dasein der himmlischen Heerscharen zu bringen. Und jetzt zitterte ich vor Heidis Marmorgesicht, ihrem undurchdringlichen Ausdruck. Aber sie war hier, in meiner Wohnung, und im Moment zählte nur das.
    
    Sobald es irgendwie ging, klinkte ich mich aus der Videokonferenz aus. Öffnete die Tür, räusperte mich vernehmlich. Ich wollte sie nicht erschrecken. Klappergeräusche aus der Küche wiesen mir den Weg zu ihr. Sie stand am Herd, rührte im großen Topf.
    
    „Ich bin fertig", stellte ich vorsichtig fest.
    
    „Es gibt Suppe", antwortete sie kühl, wieder ohne mich anzusehen. Sie hatte das Kleid gegen Jeans und Sweatshirt getauscht. „Geh schon mal ins Wohnzimmer und deck den Tisch."
    
    Ein kurzes Nicken, dann folgte ich ihrer Anweisung wortlos. Was tat sie da? Normalität schaffen, sich ablenken? Wenn ihr das half, über ihren Ärger hinwegzukommen, sollte es mir Recht sein. Ich stellte Teller und Gläser bereit, ...
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