1. Dr. Jekyll und Heidi Teil 05


    Datum: 18.09.2023, Kategorien: Romane und Kurzromane, Autor: byRomeoReloaded

    ... aktivierte meinen alten Plattenspieler mal wieder und wählte eine Mozart-Einspielung mit Glenn Gould. Genau das brauchten wir jetzt. Gefühlvolle Musik, die Freude und Schmerz auf unvergleichliche Weise miteinander verband.
    
    Die im Raum schwebenden Klavierklänge beruhigten mich sofort wieder. Aus der Küche war nichts zu hören, also gönnte ich mir einen Moment der Entspannung auf dem Sofa. Ich überlegte, was ich ihr sagen wollte.
    
    „Wie immer du darüber denkst, Heidi, in jedem Fall sind wir uns einig, dass es vorbei ist. Mr. Hyde hat sein Finale gehabt, damit ist seine Zeit abgelaufen. Endgültig abgelaufen, versprochen. Wir sind jetzt verlobt, das zählt. Lass uns den Weg weitergehen, es ist der richtige Weg. Heiraten, Familie, ein Heim mit Garten. Lass uns einen großen Jasminbusch pflanzen, unter dem unsere Tochter ihren Freund zum ersten Mal küssen wird, wie auch unsere Lippen unter duftendem Jasmin zum ersten Mal zueinander fanden. Lass uns nach vorne blicken, Heidi, unsere Träume verwirklichen."
    
    Ja, das war gut. So mussten wir jetzt denken. Ich lag immer noch auf dem Sofa, seitlich, zusammengekrümmt wie ein Embryo, als Heidi mit dem großen Suppentopf hereinkam, die Hände unter lustigen Häschen-Topflappen versteckt. Noch bevor sie den Topf auf dem Esstisch abstellte, kam sie direkt auf mich zu.
    
    „Ich habe heute etwas begriffen", erklärte sie mit erstaunlich ruhiger Stimme, „in Sachen gut, schön und wahr. Einerseits habe ich begriffen, dass ich eine Romantikerin bin, ...
    ... die daran glaubt, dass gut, schön und wahr zusammen gehören. Anderseits hast du nur zu deutlich bewiesen, dass du nicht gut bist, und dass dein Äußeres, wenn es eine innere Wahrheit ausdrücken soll, viel hässlicher sein muss, als es ist. Deshalb ist diese Korrektur leider nötig."
    
    Ich begriff gerade noch, was sie vorhatte, konnte mich aber nur noch fest in die Polster drücken. Bevor ich auch nur meine Hände schützend vor das Gesicht halten konnte, schüttete sie bereits den gesamten Topf voll kochendem Wasser mitsamt Brühe und Fettaugen über mich aus.
    
    Ein riesiger Schwall fast hundert Grad heißer Flüssigkeit verbrühte mir die Haut. Ich schrie unwillkürlich auf, obwohl damit die Suppe auch noch in meinen Mund eindringen und mir Zunge und Gaumen verbrennen konnte. Der Schmerz war überall, wobei die Kleidung einiges auffing, so dass vor allem Gesicht, Hals und Hand wie Feuer brannten, aber auch überall sonst peinigte mich flüssige Glut.
    
    Zum Glück hatte ich wenigstens meine rechte Körperhälfte noch rechtzeitig so fest in die Sofapolster gepresst, dass sie von der Flüssigkeit verschont wurde. Wild fuchtelnd sprang ich auf, schlug halb blind um mich, traf aber nur leere Luft.
    
    Ich brüllte vor Schmerz, rieb mein wundes linkes Auge, begann mir die vollgesogenen Kleider vom Leib zu reißen und wollte nackt ins Bad laufen, um mich unter eine kalte Dusche zu stellen, rannte aber nur gegen die Wohnzimmertür, die sich nicht öffnen ließ. Verdammt noch mal, Heidi hatte mich auch noch ...