1. Grober Sand 09 - Ende


    Datum: 07.11.2019, Kategorien: Nicht festgelegt, Autor: byLoreleyColter

    ... Dann saßen wir da. In unserem Scherbenhaufen.
    
    Stumm hat er mich an sich gezogen, meine Wange an seine Brust gedrückt. Und ich habe geflennt. Wie ein Kind. Die ganze Nacht lang. Er saß einfach da, hat mich festgehalten, bis seine Verbände und mein Haar von Tränen durchweicht waren.
    
    Und jetzt? Jetzt leben wir hier so vor uns hin. Und heilen.
    
    Ab und zu sehe ich die Listen durch. Bones hat die große Schlacht um das Lager nicht überlebt. Chucks Name tauchte ein paar Wochen später auch auf, ohne Angabe der Umstände. Also ein Unfall. Oder Selbstmord.
    
    Er hat mir von ihnen erzählt. Von Bones, der eigentlich Bernard Holmes hieß, ein gutmütiger Kerl war und bei der Army Medizin studieren wollte, bevor er dem Colonel begegnete. Von Jolly, dem Piloten und ursprünglichen Mitglied des Rat Packs, der immer zu Scherzen aufgelegt war und mit dem man Pferde stehlen konnte, bis er auf einer „Lieferung" mitsamt seinem Hubschrauber abgeschossen wurde. Und von Scott. Sein richtiger Name ist Sean McLear. Er und mein Hauptfeldwebel waren nicht nur Waffenbrüder, sie waren durch eine tiefe Freundschaft verbunden. Zusammengeschweißt im Kampf, gefestigt über Jahre. Bis der Colonel die Spritze ansetzte. Mein Hauptfeldwebel hat es sich nie verziehen, dass er der Droge nichts entgegenzusetzen hatte. Und der Colonel sorgte systematisch dafür, dass Scott das nie erfuhr. Vielleicht war es der letzte Funke dieser alten Freundschaft, die Scotty dazu bewegt hat, Bane dabei zu helfen, uns die Flucht ...
    ... zu ermöglichen.
    
    Bane. Was wohl aus ihm geworden ist? Ich kenne seinen richtigen Namen nicht, also kann ich ihn nicht in den Listen suchen. Ich hoffe er ist sicher nach Hause gekommen. Ich hoffe, dass er vergessen kann, dass seine Schulter verheilt ist, der Arm nicht mehr weh tut. Ich hoffe. Aber ich werde es wohl nie erfahren. Ich halte sein beiges T-Shirt in Ehren. Es ist schon völlig zerknittert und verheult, aber ich gebe es nicht mehr her.
    
    Schließlich schalte ich den Computer aus. Nachdem ich einige Minuten meinen Gedanken nachgehangen habe, gehe ich hinaus auf die Veranda und sauge das Salz in die Lungen. Es riecht nach Regen, ein Gewitter zieht auf. Er hockt auf der Treppe, zu seinen Füßen der Streuner, der uns vor Tagen zugelaufen ist und ihm nicht mehr von der Seite weicht. Gedankenverloren krault er dem Tier die Ohren. „Gehst du laufen?"
    
    „Hm." Ich bereite mich auf seinen Blick vor.
    
    Er dreht sich zu mir um, ganz langsam und mit einem Ausdruck in den Augen, der genau dahin trifft, wo ich ihn nicht haben will. Als ich an ihm vorbei die Treppe hinunter gehe, streichen seine Fingerspitzen über meinen Handrücken. „Komm zurück, bevor es dunkel wird, okay?"
    
    Ich trete wortlos auf den Strand hinaus und fühle den weichen Sand unter den Fußsohlen. Seit Wochen sagt er das jeden Tag.
    
    Ich laufe los, am Ufer entlang, und lasse die Brandung um meine Knöchel spülen. Vom Himmel fallen die ersten kühlen Tropen auf meine Haut und ich genieße das friedliche Gefühl, das ...
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