1. Das Mädchen aus dem Wasser Teil 1


    Datum: 17.04.2019, Kategorien: Insel der Scham, Autor: Holzratte

    ... hinab.
    
    Johannes stand auf, trat langsam auf sie zu, fasste sie leicht bei ihren Schultern, hob ihr Kinn an und schaute ihr tief in die Augen. Noch immer fiel es ihm schwer nicht darin zu versinken. „Ich... Das... Ich verstecke dich nicht vor der Sonne, mein Kind. Das war nie meine Absicht.“ Erleichtert sah er, wie das Lächeln Stück für Stück in ihre Augen zurückkehrte. „Das wollte ich nicht!“
    
    „Dann lass mich bitte wieder aus deiner Höhle heraus“, bat sie und sah ihn dabei flehend an.
    
    Johannes begann einen inneren Kampf auszutragen. Zum einen wollte er dieses schöne Wesen nicht leiden sehen, viel mehr wollte er sie fröhlich sehen und sich am Klang ihrer Stimme erfreuen, zum anderen aber konnte er sie auch nicht einfach in ihrer vollkommenen Blöße vor die Tür treten lassen, zu stark wäre dieser Verstoß gegen die gesellschaftlichen Normen. „Du musst dir etwas überziehen“, begann er erneut, doch kaum hatte er die Worte ausgesprochen sah er wieder eine Welle der Trauer über ihr Gesicht gleiten.
    
    „Gefalle ich dir nicht?“, fragte sie ihn währen sich ihre Augen rot verfärbten und sich neuerliche Tränen aus ihnen lösten. „Bin ich so unansehnlich, dass du mich mit dem Fell toter Tiere bedecken willst?“
    
    Die Fragen trafen Johannes komplett unvorbereitet. Sprachlos sah er sie an und seine Gedanken überschlugen ...
    ... sich. „Nein“, sagte er schließlich nachdem er sich wieder halbwegs gefasst hatte, „du bist nicht unansehnlich, du bist sogar außergewöhnlich schön, doch...“ Er verstand die Welt nicht mehr. Wie konnte ein Mensch – kurzzeitig vergaß er, dass es sich bei ihr nicht um einen Menschen handelte sondern um eine Meerjungfrau – freiwillig auf sämtliche Kleidung verzichten?
    
    „Lass mich frei, lass mich die Strahlen der Sonne auf meiner Haut spüren, lass mich die salzige Luft des Meeres riechen“, bat sie ihn fast schon mit flehender Stimme.
    
    Johannes begann sich zu wundern. Was hatte er nur getan um dieses schöne Wesen derart in Verzweiflung zu bringen? Sollte er ihr ihrem Willen stattgeben und damit die Ächtung seiner selbst durch die anderen Fischer und ihre Familien, sollte einer von ihnen ihn mit dem nackten Mädchen sehen, entgegengehen? Er rang mit sich, er rang mit sich so stark wie noch nie zuvor in seinem Leben. Aufgewühlt lief er erneut im Raum umher, fuhr sich hin und wieder mit den Händen über sein Gesicht, raufte sich die Haare, schaute das Mädchen an und verfiel ihr letztendlich vollkommen. Ihr flehender Blick zerbrach seine Bedenken, zerbrach seine Zurückhaltung und ließ ihn zu ihrem blühendsten Verehrer werden. Jeden Wunsch wollte er ihr erfüllen, jeden Einzigen, egal wie unmöglich er ihm erscheinen sollte. 
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