1. Eine Party und ihre Folgen 06


    Datum: 23.09.2021, Kategorien: Anal Autor: byPanthera_tigris

    ... Augusteum zeigen. Das kenne ich ja noch gar nicht. Als ich noch studiert habe, stand da noch ein hässlicher Plattenbau und dieses gigantische Karl-Marx-Relief. Komm Mama, ich zeig' dir alles ganz genau, hat er mir zugerufen. Mich angelächelt. Und dann rannte er über die Straße. Ich rief ihm noch hinterher: Warte, deine alte Mutter kann nicht mehr so schnell! Er drehte sich nach mir um, stolperte dabei plötzlich und taumelte in der Luft, zwei oder drei Schritte rückwärts in Richtung der Gleise. Er konnte sich gerade noch so fangen, um nicht hin zu fallen. Und dann lief alles wie in Zeitlupe ab. Ich sehe immer noch die hellen Lichter. Wie zwei leuchtende Augen. Ich brüllte laut: Pass auf! Doch es war zu spät. Die Straßenbahn hat ihn voll erwischt."
    
    Ich musste schlucken. Was Toms Mutter da erzählte, hatte man so oft in kitschigen Hollywooddramen gesehen oder in schmalzigen Liebesromanen gelesen. Aber so etwas passierte doch nicht im richtigen Leben. Und wenn doch, dann passierte es anderen, aber nicht einem selbst!
    
    Unweigerlich begann auch ich zu weinen. Wir weinten beide und umarmten uns.
    
    „Wenn ich doch nur einen Moment früher die Tram gesehen hätte", sagte Barbara leise.
    
    „Du kannst nichts dafür. Tom kennt die Stelle. Er überquert die Straße fast jeden Tag", sagte ich. Innerlich lachte ich zynisch auf. Als ob meine Worte irgendetwas bewirken konnten. Ich wusste genau, dass Barbara sich die Schuld an dem Unfall gab und nichts und niemand konnte sie im Augenblick ...
    ... von diesen Schuldgefühlen abhalten. Jeder hätte an ihrer Stelle das Gleiche gefühlt.
    
    „Es wird alles gut werden", flüsterte ich ihr leise zu. Meine Worte klangen nicht sehr überzeugend, ich glaubte nicht einmal selbst daran. Gar nichts war gut. Im Augenblick saßen in diesem Raum zwei hilflose und ahnungslose Frauen, allein gelassen mit quälender Ungewissheit.
    
    Die Zeit verstrich. Unruhig starrte ich den Sekundenzeiger einer Wanduhr an, der unablässig im Sekundentakt seine Runden drehte. Es dröhnte in meinem Kopf, immer wieder: tick tack, tick tack, tick tack ... Auch Barbara sagte kein Wort. Inzwischen waren wir völlig tränenleer und wie eine Statue saß sie neben mir. Sie drückte ihre Finger krampfhaft in die Stuhllehne, dass die Knöchel weiß hervortraten.
    
    „Er ist jetzt seit drei Stunden da drin", sagte Barbara schließlich unvermittelt. „Das ist doch ein gutes Zeichen, oder?"
    
    Ich ergriff ihre Hand und sagte zu ihr: „Ganz bestimmt ist das ein gutes Zeichen." Bis heute weiß ich nicht, wem von uns beiden ich damit eigentlich Mut zusprechen wollte -- Toms Mutter oder nicht doch eher mir selbst.
    
    Plötzlich öffnete sich die Tür des OP-Saals. Ein Arzt im grünen OP-Kittel kam heraus. Er trug den Blick nach unten gesenkt, seine Schultern hingen schlaff herab und seine Schritte waren widerwillig. Als unsere Blicke sich kreuzten, wusste ich es. Und Barbara wusste es auch.
    
    Als der Arzt den Wartesaal betrat, rang er mit seinen Worten. Er sagte nichts. Doch das war auch gar ...
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