1. Göttliche Fügung


    Datum: 25.09.2021, Kategorien: Romantisch Autor: Freudenspender

    ... musste ich nach und nach feststellen."
    
    "Du hattest mehrere solcher Typen?"
    
    "Ich war mit dem einen bedient. Allerdings habe ich in meinem Amt immer wieder Frauen getroffen, die von ihren Männern betrogen, ausgenutzt und sogar misshandelt worden sind."
    
    "Und bei dir?"
    
    "Nach Günther gab es keine Beziehung mehr und für eine schnelle Nummer bin ich nicht zu haben. Als Pastorin hat man schließlich einen Ruf zu verlieren."
    
    "Dann ist dein Amt eher ein Nachteil für dein Privatleben?"
    
    "Ich würde es keinen Nachteil nennen. Meine Überzeugung, wie eine Beziehung aussehen sollte, deckt sich mit dem Bild, das man als Pastorin abgeben sollte. Insofern habe ich das Amt nie als hinderlich empfunden."
    
    ---
    
    Der Abend ist wie im Flug vergangen. Jenny und ich haben im wahrsten Sinne des Wortes über Gott und die Welt gesprochen. Dabei musste ich feststellen, dass sie zwar ein gläubiger Mensch aber kein Pedant ist. Mit der etwas lockereren Sichtweise auf das Leben, die aber dennoch auf Werte baut und einige Grundpfeiler besitzt, die nicht verrückt werden dürfen, könnte ich mich sogar anfreunden.
    
    "Darf ich dich nach Hause bringen?", frage ich vorsichtig.
    
    "Das wäre schön."
    
    Ich zahle die Rechnung und wir schlendern zum Wagen. Ich würde am liebsten den Arm um ihre Taille legen und sie festhalten. Das Wissen um ihr Amt hemmt mich jedoch. Kopf und Augen haben völlig unterschiedliche Informationen. Während sich in meinem Hirn das Bild der Hüterin des Glaubens festgesetzt ...
    ... hat, steht vor meinem Auge eigentlich nur ein heißer Feger. Diese Diskrepanz in der Wahrnehmung wirft mich komplett aus der Bahn. Ich bin schon normal nicht der Draufgänger bei Frauen. In diesem Fall bin ich allerdings noch viel unsicherer, als sonst.
    
    Ich öffne die Beifahrertür und schließe sie, sobald sie eingestiegen ist. Das Lächeln, das sie mir dabei schenkt, raubt mir für einen kurzen Moment den Atem. Ich könnte darin versinken. Ich fahre langsamer als normal. Sicher spielt dabei eine Rolle, dass ich sie als Autoritätsperson ansehe und deshalb versuche mich korrekt zu verhalten. Ich versuche die Regeln - in diesem Fall die des Straßenverkehrs - zu beachten. Es gibt aber noch eine zweite Erklärung, die ich für zutreffender halte. Ich versuche die Zeit, die ich mit ihr zusammen sein kann, in die Länge ziehe.
    
    Irgendwann kommen wir dann aber doch vor dem Pfarramt an. Ich stelle den Wagen ab, steige aus und öffne die Beifahrertür. Gemeinsam schlendern wie die wenigen Schritte bis zur Haustür.
    
    "Hier wohnst du also?"
    
    "Im obersten Stock befindet sich eine Wohnung. Sie ist nicht groß, sie ist nicht luxuriös und sie ist alt, aber etwas Besseres habe ich bisher nicht gefunden. Zumindest nichts, das ich mir auch leisten kann."
    
    "Meins wäre das nicht", gebe ich ehrlich zu.
    
    "Du bewohnst vermutlich eine Villa."
    
    "Ich schäme mich nicht dafür."
    
    "Das brauchst du auch nicht."
    
    Es entsteht eine längere Pause. Keiner von uns traut sich etwas zu sagen. Ich, weil ich damit ...
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